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«Ich bin parat!»

16 min.
Flury

von Daniel Flury

22 Beiträge

Elena Hartmann – Markenbotschafterin der Bank WIR – hat Anfang April die Tour El Salvador zum zweiten Mal in Folge gewonnen. Nun steht am 12. Juni die Tour de Suisse Women an. Für die Zeitfahrspezialistin bedauerlich: Ein Zeitfahren ist dieses Jahr nicht vorgesehen.

Wir gratulieren herzlich! Du hast Anfang April zum zweiten Mal nach 2024 die Tour El Salvador gewonnen – und dies als Mitglied in einem völlig neuen Team! Hast du damit gerechnet?

Elena Hartmann: Ich habe gehofft, dass ich diese Chance bekomme, aber nach dem Wechsel vom Roland Cycling Team ins Ceratizit Pro Cycling Team im März dieses Jahres konnte ich nicht einmal damit rechnen, dass Ceratizit in El Salvador überhaupt am Start sein wird. Deshalb war ich natürlich angenehm überrascht, als es hiess, die Teilnahme stehe fest. Für eine erfolgreiche Titelverteidigung sprach, dass das Rennen in derselben Region stattfand wie 2024, zum Teil sogar mit praktisch identischen Etappen. Eine Herausforderung war, dass dieses Jahr viel mehr gute Teams am Start waren.

Dazu kam, dass ich meine fünf Teamkameradinnen, die in El Salvador mit dabei waren, grösstenteils erst vor Ort kennengelernt habe. Zum Glück harmonierten wir von Beginn an sehr gut.

Hatte dein Sieg 2024 einen Einfluss darauf, wer dieses Jahr die Rolle der Leaderin übernahm?

Wir sind kein Team mit einer absoluten Überfliegerin, die zum vornherein als Leaderin feststeht. Mit andern Worten: Wir haben mehrere Leaderinnen. Wer zum Zug kommt, entscheidet das Profil des Rennens. Wenn es sich abzeichnet, dass ein Sprint oder eine Bergetappe entscheidend wird, unterstützen wir die entsprechende Spezialistin. In El Salvador war es so, dass ich den Prolog gewann, sodass es schon früh hiess: «Wir fahren die kommenden vier Etappen für Elena.»

«Mein Ziel: Marlen Reusser herauszufordern!»

Aller guten Dinge sind drei! Rechnest du damit, den Titel 2026 verteidigen zu können?

Das hängt von der Teamplanung ab. 2024 dachte ich, die Reise nach El Salvador sei wohl ein «one time»-Erlebnis – und doch kam es anders. Das Rennen hat mir auch dieses Jahr wieder Spass gemacht, und ich wäre glücklich, wenn es 2026 erneut auf dem Team-Programm stünde und es ein drittes Mal gäbe.

Was macht die Tour El Salvador so speziell für dich?

Es sind vor allem die Einheimischen. Die Menschen in El Salvador sind so herzlich! Manche haben mich sogar wiedererkannt und zeigten mir Fotos vom letzten Jahr. Eine Mutter kam mit ihrer Tochter zu mir und meinte, ich hätte ihre Tochter inspiriert, und sie wolle so werden wie ich. Dies alles verdrängt die Schattenseiten, die es leider auch gibt. Es ist eben ein armes Land, Wellblechhäuser sind normal, überall hat es Abfall, Strassenhunde; Züge und Busse, wie wir sie kennen, gibt es nicht, höchstens Pick-ups ohne festen Fahrplan. Wir wurden jeweils von der Polizei eskortiert – nicht um uns vor Kriminalität zu schützen, sondern um uns durch den chaotischen Verkehr zu lotsen.

Elena Hartmann

Dein früheres Team – Roland – setzte auf Rennräder der Marke Pinarello, der Veloausrüster von Ceratizit ist Orbea. Bedeutet das ein Umgewöhnen?

Allerdings! Jedes Velo hat seine eigene Geometrie und fährt sich anders. In meinem Fall war es vor allem der Abstand zwischen Sattel und Lenkrad, an den ich mich zuerst noch gewöhnen musste. Die gegenwärtige Einstellung ist noch immer nicht genau so, wie ich es gerne hätte. Ich habe den Eindruck, jeden Millimeter zu spüren, der von meiner gewohnten Haltung abweicht. Und das ist nicht alles: Auch die Reifen, die Räder, die Hosen, der Helm sind anders und gewöhnungsbedürftig – und wir sprechen erst vom Strassenvelo. Die Einstellung des Zeitrennrads hat noch gar nicht begonnen.

Bemerkenswert am Team Ceratizit ist, dass fast so viele Nationen vertreten sind, wie es Fahrerinnen gibt – von A wie Afghanistan bis U wie Ungarn. Wie fandest du dich als einzige Schweizerin zurecht?

Wir sind 14 Fahrerinnen aus 11 Nationen, keine ist mehr als zweimal vertreten. 10 Teamkolleginnen sind mit Jahrgang 2000 bis 2003 bis zu 11 Jahre jünger als ich. Ich habe nicht alle miteinander kennengelernt, da ein Rennen jeweils nur mit sechs Fahrerinnen bestritten wird. So kam ich in El Salvador mit einigen Teamangehörigen zum ersten Mal in Kontakt, andere kannte ich von zwei Rennen in Italien. Mein Vorteil ist, dass ich mit Deutsch und meinen Kenntnissen des Französischen, Englischen und Italienischen leicht Kontakt finde. Mir ist es in diesem Team extrem wohl – und weil ich mich sowieso wie eine 20-Jährige fühle, ist auch der Altersunterschied leicht zu überbrücken (lacht).

Bevor du zu Ceratizit gewechselt hast, haben 10 Fahrerinnen des damaligen Teams den Anschluss an andere Teams gesucht. Hat dich das nicht beunruhigt?

Nein, ich wusste, dass es bei Ceratizit sehr menschlich zu und her geht. Die Wechsel hatten sportliche oder taktische Gründe: Der Frauenradsport entwickelt sich rasant. Jedes Jahr werden vom Dachverband Union Cycliste Internationale UCI neue Anforderungen gestellt – etwa bezüglich Teamgrösse oder Finanzen. Es war damals unklar, ob Ceratizit die neuen Anforderungen würde erfüllen können. Schlimmstenfalls hätten die Fahrerinnen den Abstieg von «UCI WorldTour» auf das tiefere Level «UCI Pro Continental» in Kauf nehmen müssen. Um mit Sicherheit weiterhin auf dem Top-Level fahren zu können, haben viele Ceratizit-Fahrerinnen präventiv zu Teams gewechselt, die alle Anforderungen schon erfüllt hatten.

Ob WorldTour oder Continental steht für mich weniger im Vordergrund. Mir sind die Stimmung im Team, der Umgang untereinander wichtiger. Ich will Spass haben – was aber nicht heisst, dass ich nicht alles geben will!

Im Interview in der März-Ausgabe des WIRinfo hast du deine Schwäche, die sogenannte 1-bis-5-Minuten-Power, erwähnt. Hattest du Gelegenheit, daran zu arbeiten?

Ja, ich bin fleissig am Trainieren! Zwei Tage nach Abschluss der Tour El Salvador – und noch etwas unter dem Jetlag leidend – habe ich einen 1-Minuten-Test absolviert und war besser als je zuvor. Das Resultat bestätigt meinen allgemeinen Eindruck meiner Form und stimmt mich zuversichtlich.

Elena Hartmann_EM2024_Arne Mill

Die Tour de Suisse Women startet am 12. Juni. Wie weit bist du mit deinen Vorbereitungen?

Ich habe einen vollen Rennkalender und habe Mitte April mit meinem Trainer die Schwerpunkte gesetzt. Die Tour de Suisse steht dabei im Fokus, ich bin parat!

Ist es für dich als Zeitfahrspezialistin ein grosser Nachteil, dass dieses Jahr kein Zeitfahren vorgesehen ist?

Ich habe nicht damit gerechnet. Auch die Tour de France, an der Ceratizit teilnehmen wird, sieht kein Zeitfahren vor. Es tut mir im Herzen weh!

Kommt dir wenigstens die Streckenführung der diesjährigen Tour de Suisse Women in irgendeiner Form entgegen?

Durchaus: Auf den Etappen 3 und 4 kenne ich jeden Stein. Vor allem das Gebiet um die Rigi und natürlich meinen Wohnort Baar, der durchfahren wird, kenne ich in- und auswendig. Wenn man weiss, was einen erwartet, fällt vieles leichter. Insgesamt ist das Streckenprofil sehr spannend. Ich freue mich auf die ganze Tour, auch auf das Pièce de résistance, den Jaunpass.

Und dein Ziel für die anschliessende Schweizer Meisterschaft?

Das Zeitfahren findet wieder in Steinmaur statt, wo ich 2022 meinen ersten Titel geholt habe. Es könnte sogar dieselbe Strecke sein. Ich halte das für ein gutes Omen. Im Gegensatz zu 2022, 2023 und 2024 – den Jahren, in denen ich Schweizer Meisterin im Zeitfahren geworden bin –, steht dieses Jahr wohl auch Marlen Reusser am Start, allein im Zeitfahren vierfache Schweizer Meisterin, Silbermedaillengewinnerin an den Olympischen Spielen 2020 … Mein Ziel: Marlen herauszufordern!

Zu deinen Zielen gehört es auch, weitere Sponsoren zu gewinnen. Gibt es diesbezüglich schon Erfolgsmeldungen?

Ich bin dran, schreibe keine Massen-E-Mails, sondern suche gezielt nach Firmen und Marken, von denen ich glaube, dass ein Sponsoring von gegenseitigem Nutzen wäre. Ein Vorstellungstermin bei einer lokalen Firma steht schon fest.

Dreifache Schweizer Meisterin im Zeitfahren

Die Bündnerin Elena Hartmann (34) hat ihren Bewegungsdrang schon als Kind in verschiedenen Sportarten ausgelebt. Mit 25 Jahren begann sie, Triathlon zu betreiben, wobei sie sich auf dem Velo am wohlsten fühlte. Dies führte dazu, dass sie an Zeitfahr­rennen teilnahm und 2022 – für alle überraschend – die Schweizer Einzelzeitfahrmeisterschaften für sich entscheiden konnte. Ein Erfolg, den Elena Hartmann auch in den beiden folgenden Jahren, nunmehr als Profi, für sich verbuchen konnte.

Zu ihren Erfolgen zählt Elena Hartmann den Sieg an der Tour de Berlin Feminin 2023 und den Vize-Schweizer-Meister-Titel im Strassenrennen (hinter Marlen Reusser). 2024 gewann sie den Grand Prix Presidente in El Salvador und 2024 sowie 2025 die Gesamtwertung der Tour El Salvador.

Seit Anfang Jahr ist Elena Hartmann zusammen mit Franco Marvulli Markenbotschafterin der Bank WIR.

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