WIR & Co.: Komplementäre Währungen im Aufwind
Komplementärwährungen erhöhen die Widerstandskraft gegen Krisen. Der WIR und der Schweizerfranken stellen dafür bereits ein seit langem erfolgreiches Beispielpaar dar.
Das gegenwärtige Währungssystem mit den offiziellen Nationalwährungen wie Franken, Dollar, Pfund oder der Euro sieht sich bekanntlich mit grossen Herausforderungen konfrontiert. Denn: Entgegen offiziellen Verlautbarungen ist das Thema Finanzkrisen nicht wirklich vom Tisch. Weder nimmt die steigende Verschuldung der Staaten und der Konsumentenschaft ab, noch konnten auf der anderen Seite die unausgeglichenen Handelsbilanzen oder die stetige Vermögenskonzentration bei ganz wenigen Superreichen gestoppt werden.
Nationale Währungen werden dadurch zunehmend instabiler und anfällig für weitere Crashs. Eine Möglichkeit um die Probleme anzupacken, ist die Schaffung von komplementären Währungen. Diese besitzen andere Eigenschaften und können zielgerichtet so ausgestaltet werden, wie es die wirtschaftliche Situation der Beteiligten erfordert. Dabei geht es nicht um den Hype der sogenannten Kryptowährungen wie Bitcoin, sondern um Verbesserungen für die reale Wirtschaft.
Eine wichtige Grundlage für Komplementärwährungen ist, dass verschiedene unabhängige Systeme parallel eingesetzt werden können. Dies erhöht die Widerstandskraft gegen Krisen, da bei Problemen mehrere Alternativen zur Verfügung stehen.
Der WIR und der Schweizerfranken stellen dafür bereits ein seit langem erfolgreiches Beispielpaar dar. Trotz der vergleichsweise minimalen Grösse des WIR zum Schweizer Franken konnten amerikanische Forscher einen stabilisierenden Einfluss auf die Schweizer Volkswirtschaft nachweisen.
Stabilitätsfördernde Wirkung des WIR
2015: Das Bruttoinlandprodukt (BIP) der Schweiz betrug 645,6 Milliarden Franken verglichen mit dem WIR-Franken-Umsatz von 1,35 Milliarden. Das heisst, der WIR-Beitrag beträgt rund zwei Promille des nationalen Umsatzes. Die letzte Untersuchung von James Stodder über die stabilitätsfördernde Wirkung des WIR in Englisch kann hier gefunden werden.
Forschung aktuell
Komplementäre Währungen sind in den vergangenen Jahren zunehmend in den Fokus internationaler Wirtschaftsforschung geraten. Das Zusammenspiel von Währungen und wirtschaftlicher Entwicklung mit deren gesellschaftlichen Rahmenbedingungen ist von steigendem Interesse für die Lösung heutiger Probleme.
Durch die begrenzte Gültigkeit von komplementären Währungen können systemische Zusammenhänge einfacher untersucht werden. Auch die Gestaltung von neuen Währungen liefert viele herausfordernde Fragestellungen. Zentraler Forschungsansatz ist, Währungen zu entwickeln, die stabiler und sicherer sind – und die auf fairen Grundlagen basieren.
Mit Hilfe von EU-Forschungsgeldern wird seit einem Jahr auch in der Schweiz verstärkt am Thema gearbeitet. Der Verein NetHood in Zürich arbeitet dazu mit einer Anzahl von Universitäten und Institutionen aus anderen europäischen Ländern zusammen. Die beiden Projekte netCommons und MAZI sind Teil des laufenden Europäischen «Horizon 2020»- Förderprogrammes für Forschung und Innovation. Gemeinsam werden lokale Vernetzungen und neue Möglichkeiten zur Zusammenarbeit und zum Datenaustausch untersucht.
Forschungsprojekte in Genossenschaften und Städten
Ein wichtiger Teil der Forschung umfasst die Überprüfung von neuen Konzepten mittels Pilotprojekten. Grosse Wohngenossenschaften und Nachbarschaften sind dafür ein Anwendungsgebiet. Für diesen Zweck wurde die für Genossenschaften optimierte Quartierwährung entwickelt.
Sie basiert auf dem Grundgedanken der «Commons» oder Allmende und kann in einem in einem Planspielbereits anschaulich spielerisch umgesetzt werden. Die Erkenntnisse aus dem Spiel fliessen dann wieder in die Verbesserung des Konzeptes ein.
Ein weiteres interessantes Forschungsprojekt wurde Ende 2016 in Barcelona gestartet: Die Stadt mit ihrer neuen Bürgermeisterin Ada Colau will eine neue Währung einführen, mit der die lokale Wirtschaft gestärkt und gefördert werden soll. Ein erster Pilotversuch im Stadtteil Besos ist noch für dieses Jahr geplant.
NetHood arbeitet mit an der Integration der Währung für Netzwerkinfrastrukturanbieter und Recyclingprojekte für elektronische Geräte. Auch andernorts entstehen neue spannende Währungen und «Neffen des WIR» (siehe unten).
Vorteile und Chancen
Komplementärwährungen bieten nicht nur der Wissenschaft ein wichtiges Forschungsfeld, sondern sind auch Grundsteine für zukunftsfähige Wirtschaft, die echte Nachhaltigkeit und hohen Wohlstand in sich vereinen kann. Durch die kleineren, «menschlicheren» Dimensionen solcher neuer Währungen können sie auch leichter demokratisch bestimmt bleiben – und passen daher besser zu einer Volkswirtschaft, wie wir sie in der Schweiz haben, die auf kleinen und mittleren Unternehmen beruht. Weiterentwickelte Komplementärwährungen bieten deshalb die Chance, Regionen zu stärken und die wirtschaftliche Entwicklung auf stabile und gesunde Geleise zu bringen.
«Die Neffen des WIR»
Weitere Informationen zu Komplementärwährungen sind zu finden im «WIRplus» vom Januar 2017 (Direktlink zum PDF) und im «WIRinfo» vom Februar 2017. Vincent Borcard schreibt darin über die kleinen Neffen des WIR, die neu entstehenden Komplementärwährungen in Europa.
2 Kommentare
Vielen Dank für den informativen Beitrag. Leider funktioniert der Link zu „WIRplus» vom Januar 2017“ derzeit nicht. Wäre sicherlich interessant dort einmal zu stöbern… 🙂
Bitte entschuldigen Sie die verspätete Antwort. Vielen Dank für den Hinweis: Wir haben die Verlinkung zum erwähnten Artikel im «WIRplus» korrigiert.