Menu

Rüeblitorte und Nachfolgeregelung

12 min.
RPW 202209-1038

von Rudolf P. Winzenried

1 Beitrag

Was hat die Zubereitung einer Rüeblitorte mit der Nachfolgeregelung in einem KMU zu tun? Oder besser: Was unterscheidet die beiden Herausforderungen? Rudolf P. Winzenried, Hobbybäcker, Generationen-Coach und Partner des KMU Nachfolgezentrums, weiss die Antwort.

Bei meiner ersten Leidenschaft – dem Kochen und Backen – weiss ich ganz genau, was es braucht, damit meine Rüeblitorte gelingt: erstens ganz bestimmte Zutaten, nämlich Eier, Zucker, Rüebli, Mandeln, Zitrone, Mehl, Backpulver – und eine Prise Salz. Zweitens eine genaue Zubereitungsart, Schritt um Schritt, immer gleich, ganz genau so, wie sie im Rezept beschrieben ist.

Auch bei meiner zweiten Leidenschaft – der Nachfolgeregelung in KMUs – gibt es Zutaten und Vorgehensweisen. Doch im Gegensatz zur Rüeblitorte unterscheiden sich diese von Mal zu Mal deutlich. Dafür gibt es keine Patentrezepte.

Die Unternehmerin und ihre Kinder

Einmal bestehen die Zutaten aus der Unternehmerin und ihren drei Kindern, von denen sich eines für die Nachfolge im Unternehmen interessiert. Es geht darum, für diese Zutaten eine Zubereitungsart zu finden, die nicht nur die Zukunft des Unternehmens sichert, sondern gleichzeitig auch den Familienfrieden bewahrt.

Der Unternehmer und seine Kadermitarbeitenden

Oder die Zutaten bestehen aus dem Unternehmer und vier Kadermitarbeitenden, die sich vielleicht vorstellen könnten, seine Nachfolge anzutreten. Doch wie soll er ermitteln, wer sich überhaupt für die künftige Rolle als Unternehmer eignet? Und nach welchen Spielregeln würden mehrere Nachfolger zusammenarbeiten?

Der Unternehmer ohne potenziellen Nachfolger

Oder es gibt den Unternehmer im Pensionsalter – aber weder einen Nachfolger noch einen Plan, wie man einen solchen findet. Klar ist einzig: Ein Nachfolger muss her. Doch vieles ist zu klären: Ist das Unternehmen überhaupt nachfolge- und zukunftsfähig? Falls nicht: Was muss vorgekehrt werden? Und vor allem: Wie findet man einen Nachfolger? «Die Jungen von heute wollen doch alle nur noch 80% arbeiten …»

 

Doch nicht nur die immer wieder anderen Zutaten und Zubereitungsarten unterscheiden die Nachfolgeregelung von der Rüeblitorte: Die Rüeblitorte gelingt am besten, wenn ihr Schöpfer ganz allein und ungestört in der Küche wirken kann. Bei der Nachfolgeregelung hingegen geht es darum, für und mit verschiedenen Menschen ein Ergebnis zu erzielen, das allen zusagt.

Interaktionen und Emotionen

Ob in der Familie, im Betrieb oder zwischen Verkäufer und Käuferin: Immer findet eine Interaktion zwischen verschiedenen Menschen statt. Und das heisst: Es wird auf allen Seiten sehr schnell sehr emotional. Denn es geht um alte und neue Rollen, um unterschiedliche Weltsichten und Lebensweisen, um Zukunftsängste etc. Es geht da­rum, Vertrautes loszulassen (aber nicht wirklich loslassen zu können), Verantwortung zu übernehmen (aber sich diese nicht zuzutrauen), Freiheit zu gewinnen (aber sich vor ihr zu fürchten). Die folgenden Fragen stellen sich in den drei oben beschriebenen Fällen:

Wie schaffe ich es als Unternehmerin und Mutter, mit meinen Kindern ins Gespräch zu kommen mit dem Ziel, das unternehmerische Lebenswerk weiterzugeben?

Wie spreche ich als Mitarbeitender und potenzieller Nachfolger mit dem Inhaber, der mein aktueller Chef ist?

Wie komme ich mit einer aussenstehenden Person ins Gespräch, die sich für mein Unternehmen interessiert?

Mannschaft mit Trainer

Anders als das Backen einer Rüeblitorte gelingt Unternehmensnachfolge nur im Team, ist also ein Mannschaftssport. Mannschaftssport funktioniert nur mit einem Trainer oder Coach. Zugegeben: Für einen Unter­-nehmer, der sein Leben lang Kopf, Herz und Motor seines Unternehmens war, braucht es Überwindung, für den letzten entscheidenden Schritt eine aussenstehende Person beizuziehen, die dabei hilft. Doch: Wer ein Haus bauen will, beauftragt einen Architekten. Wer ein neues Hüftgelenk braucht, geht zum Chirurgen. Ein Hausbau und eine Hüftoperation sind ähnlich komplex wie eine Unternehmensnachfolge. Weil wir in der Regel nur einmal ein Haus bauen, eine neue Hüfte kriegen oder eine Unternehmensnachfolge regeln, lohnt es sich, alles daran zu setzen, dass das Vorhaben gelingt.

Kein Rezept, aber Empfehlungen

Rezepte wie für die Rüeblitorte gibt es für die gelungene Unternehmensnachfolge keine. Und doch gibt es aus der Erfahrung heraus einige Empfehlungen für eine massgeschneiderte Nachfolgeregelung – so etwas wie «Die zehn Gebote für eine erfolgreiche Geschäftsübergabe»

Die «zehn Gebote» für eine erfolgreiche Geschäftsübergabe

1. Planung und Vorbereitung: Fünf bis zehn Jahre im Voraus mit der Planung der Nachfolge beginnen und einen Fahrplan für den Übergang erstellen.

2. Nachfolge- und Zukunftsfähigkeit: Das Unternehmen für die Nachfolge bereit machen und sicherstellen, dass es unter neuer Leitung tragfähig aufgestellt ist.

3. Kommunikation: Offen und transparent mit Familienmitgliedern und potenziellen Nachfolgerinnen und Nachfolgern kommunizieren und alle Optionen prüfen.

4. Finanzielle Planung: Sich selber finanziell absichern und gewährleisten, dass auch das Unternehmen beim Übergang finanziell stabil ist.

5. Qualifikation: Auf die erforderlichen Fähigkeiten, Qualifikationen und Erfahrungen bei den Nachfolgern achten.

6. Vereinbarungen: Den Übergangszeitpunkt, die Rollen nach der Übergabe und andere relevante Aspekte klar und verbindlich regeln.

7. Beratung und Unterstützung: Sich im komplexen Prozess des Übergangs von erfahrenen Nachfolgeberatern unterstützen lassen.

8. Emotionen: Konflikte und Spannungen innerhalb der Familie und bei den Beteiligten rechtzeitig erkennen, angehen und lösen.

9. Kontinuität: Das «Loslassenkönnen» bewusst vorbereiten, einen «Plan für die Zeit danach» erstellen und dem Nachfolger Raum geben für Neues.

10. Mitarbeitende: Die Mitarbeitenden frühzeitig über den Übergang informieren und ihnen das Gefühl vermitteln, dass sie unterstützt und eingebunden werden.

 

Die erfolgreiche Nachfolgeregelung ist mehr als eine Rüeblitorte – sie ist das Meisterstück des Unter­nehmers!

Zum Autor

RPW 202209-1038

Rudolf P. Winzenried

Rudolf P. Winzenried ist in einer landwirtschaftlich und unternehmerisch geprägten Familie gross geworden. Weil ihn das Unternehmertum weit mehr interessierte als die Paragrafen, war er nach seinem Jura-Studium in seiner über 30-jährigen Berufskarriere Mitglied der Geschäftsleitung, CEO, Verwaltungsrat und Unternehmensgründer verschiedener KMU. Im Alter von 58 Jahren entschied Winzenried, sich selbstständig zu machen und seine unternehmerischen Erfahrungen als Partner und Generationen-Coach des KMU Nachfolgezentrums für die erfolgreiche Zukunftsgestaltung und Nachfolgeregelung von inhabergeführten Unternehmen einzusetzen.Das KMU Nachfolgezentrum hat seit seiner Gründung 2006 weit über 500 kleine und mittlere Unternehmen erfolgreich bei der Nachfolgeregelung unterstützt. Nebst der Moderation und Beratung engagiert sich das KMU Nachfolgezentrum auch in der Öffentlichkeit und will so Unternehmerinnen, Unternehmer und die Gesellschaft dafür sensibilisieren, dass in den nächsten Jahren in der Schweiz 90 000 KMU – jedes fünfte KMU – ihre Nachfolge lösen sollten.
Die Rüeblitorte: Im Unterschied zu Nachfolgeregelungen lassen sich der erfolgreiche Mix der Zutaten und die Abfolge der Arbeitsschritte jedes Mal unverändert wiederholen.

Dieser Artikel könnte Sie ebenfalls interessieren:

Firmengründung: Herausforderungen und Chancen

Kommentare

Zu diesem Beitrag gibt es noch keine Kommentare.

Ihr Kommentar

Abbrechen Neuen Kommentar erfassen
Kein Kommentar

Nächster Artikel

KMU

Mehr aus der KategorieKMU

Wertfreigrenze
KMU

Einschränkung des Einkaufstourismus: Chancen für KMU in der Schweiz

Ab Januar 2025 senkt der Bund die Wertfreigrenze für private Einkäufe im Ausland von 300 auf 150 Franken. Diese Massnahme trifft besonders Haushalte mit begrenztem Einkommen, Familien und Rentner, die regelmässig ennet der Grenze einkaufen.

Mehr

Einkaufszettel
KMU

Der Unternehmergeist und ein Einkaufszettel

Der Unternehmergeist ist eine Kolumne von Karl Zimmermann, die auf vergnügliche und dennoch nicht minder klare Art und Weise aufzeigt, wie er, der Unternehmergeist, «funktioniert» – und weshalb ihm in seinem Handeln scheinbar keine Grenzen gesetzt sind.

Mehr

Gourmetküche
KMU

Gourmetküche im alten Bahnhofbuffet von Baden-Oberstadt

In historischen Gemäuern und einer behaglichen Atmosphäre bieten Gastgeber Alex Berger und Küchenchef Adrian Strub im Restaurant Oberstadt in Baden eine moderne Küche, die sich strikt an das saisonale und regionale Angebot hält. Bezahlen können die Gäste mit bis zu 100% WIR.

Mehr

Blog_Titelbild
KMU

«Genossenschaften bleiben auch in Zukunft attraktiv»

Daniele Ceccarelli ist Rechtsanwalt und war von 1992 bis 2023 Leiter des Rechtsdiensts bzw. Senior Counselor der Bank WIR. In dieser Eigenschaft vertrat er seine Arbeitgeberin in der Idée Coopérative Genossenschaft ICG, deren Mitglied die Bank ist. Seit seiner Pensionierung berät Ceccarelli im Auftrag der ICG Start-ups, die sich als Genossenschaft aufstellen wollen oder die Antworten auf Fragen rund um das Genossenschaftsrecht suchen.

Mehr

Mehr aus der Kategorie