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Das neue Restaurant «Bären» zu Herisau

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Vogel

von Artur K. Vogel

6 Beiträge

Einst stand am Ausgang von Herisau, dem Hauptort des Kantons Appenzell-Ausserrhoden, das Hotel Bären. Es wich einer Überbauung, die unter anderem Wohnungen für Menschen mit besonderen Bedürfnissen bietet – und das neue Restaurant Bären, wo vier profilierte Frauen wirken.

Restaurant Bären

(Von links) Désirée Raguth Tscharner von der Covai AG, Bären-Geschäftsführerin Manuela Loacker, Chef der Service Cohana Steingruber, Chefköchin Alina Rüdlinger und Bar-Chefin Grizzlybar Petra Petrovic im Restaurant Bären in Herisau. Foto Henry Muchenberger

«Ich musste mich zuerst daran gewöhnen», sagt die Taxifahrerin, die uns vom Bahnhof Herisau durch ein Gewerbegebiet an die Alpsteinstrasse fährt, die Ausfallstrasse Richtung Urnäsch und Appenzell. Anfang 2021 waren die Baumaschinen aufgefahren und hatten den alten «Bären» abgerissen, ein traditionelles, in die Jahre gekommenes Hotel, wo man sich zum Jassen getroffen oder Fasnacht gefeiert hatte. Jetzt steht hier die neue Bären-Überbauung, und inzwischen wisse sie die Architektur zu schätzen, sagt die Fahrerin. Das vierstöckige, um einen Innenhof gruppierte Ensemble ist zwar modern und will nichts anderes vorgeben. Aber die Brauntöne, in denen es gehalten ist, und die grosszügige Verwendung von Holz schaffen eine ländliche, wenn auch keineswegs rustikale Anmutung.

Alle sollen teilhaben

Ein Hotel gibt es nicht mehr in der Überbauung. Hingegen ist die Spitex eingezogen, und in den oberen Stockwerken sind 50 Ein- bis Drei-Zimmer-Wohnungen entstanden; zehn Studios können momentan über booking. com auch kurzzeitig gebucht werden. Es handelt sich allerdings nicht um eine «gewöhnliche» Mietliegenschaft. Die Betreibergesellschaft covai AG hat 40 Wohnungen für Menschen mit besonderen Bedürfnissen konzipiert. Für sie gibt es ein umfassendes Betreuungsangebot. Gemäss der Vision des Erbauers René Raguth Tscharner, Bau- und Immobilienunternehmer und Inhaber der covai AG, soll in der Bären-Überbauung ein lebendiges Zusammenleben von Menschen mit und ohne Behinderung möglich werden. Die covai AG «setzt sich ein für eine Gesellschaft, in der auch Menschen mit Unterstützungsbedarf selbstverständliche Teilhabe vor Ort erreichen», heisst es dazu bei der Firma. Deren Firmenname kommt aus dem Rätoromanischen: «covai» bedeutet «wie geht es?»

Restaurant Bären

1/3 Die neue, von der Bank WIR finanzierte Überbauung mit dem alten «Bären»-Wirtshausschild.

Restaurant Bären_011

2/3 Das alte «Bären»-Wirtshausschild.

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3/3 Blick in die Gaststube des Restaurants Bären. An der Wand schlagen Holzplanken aus dem alten «Bären» eine Brücke in die Vergangenheit.

Teil dieses Konzepts der Inklusion ist das neue Restaurant im Erdgeschoss, das Anfang September 2023 unter der Leitung von Manuela Loacker eröffnet wurde. Es besitzt einen separaten Saal, in welchem die covai-Mieterinnen und Mieter sich täglich, mittags wie abends, verpflegen können. «Hier werden alle gleich behandelt, egal, woher sie kommen», betont Manuela Loacker. Deshalb gibt es für die covai-Gäste im hinteren Raum des Restaurants wie für die externen Gäste im vorderen dieselben Menüs. Zudem kann ein Event-Raum, der Platz für bis zu 40 Personen bietet, für Firmenanlässe, Geburtstagsfeiern, Familienfeste oder für Seminare mit Tagespauschalen gebucht werden.

Schwerer Schicksalsschlag

Die Eröffnung des Restaurants am 1. September 2023 war von einem schweren Schicksalsschlag überschattet: Anfang Juli, mitten in der Endphase der Bauarbeiten, starb René Raguth Tscharner bei einem Autounfall. «Wir waren alle zutiefst erschüttert», sagt Manuela Loacker. «Glücklicherweise habe ich René noch kennengelernt. Er wird immer präsent sein. Wir verwirklichen seine Ideen und Visionen.» Beim Restaurant Bären und der Grizzly Bar hat man sich für eine Mischung von Alt und Neu entschieden. So sind die Tische aus Holz, und viele Stühle haben die Form traditioneller Stabellen. Auch die Wände sind mit Holzplanken verkleidet. «Dabei handelt es sich um Altholz aus dem früheren ‹Bären›», erklärt Küchenchefin Alina Rüdlinger. «Es wurde eingelagert, aufgearbeitet und bildet so eine Brücke zur Vergangenheit.» Alina Rüdlinger ist erst 24 Jahre alt, und man fragt sich, wie die Küchenchefin ihre bereits beachtliche Laufbahn in so wenige Jahre gepackt hat: «Inspiriert von einer grossartigen Hauswirtschaftslehrerin» entschied sie sich für eine Kochlehre im Hotel-, Kur- und Klinikbetrieb Oberwaid am Rand der Stadt St.Gallen. Danach absolvierte sie eine Stage in der Küche des Fünfsterne-Hotels «Traube Tonbach» in Baiersbronn, Schwarzwald, die mit drei Michelin-Sternen ausgezeichnet ist. Später war sie in einem anderen «Bären» tätig, jenem in Gonten AI. Dazwischen blieb Zeit für zwei längere Reisen durch Mittel- und Südamerika

 

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Restaurant Bären

2/2 Für Seminare oder Feiern steht ein Veranstaltungsraum zur Verfügung, den hier Manuela Loacker und Cohana Steingruber für eine Abendgesellschaft vorbereiten.

Gesünder und schneller

Im «Bären» betreibt Alina Rüdlinger eine sogenannte Systemküche. Dabei werden Gerichte in grösseren Mengen zubereitet, dann bei minus 40 Grad portionenweise schockgefrostet und erst aufgetaut, wenn ein Gast sie bestellt hat. Die Methode hat mehrere Vorteile: Die Küche kann zeitversetzt arbeiten. Gäste warten weniger lang auf die Bestellung. Lebensmittel sind länger haltbar, womit weniger Food Waste anfällt. Und gesünder sind sie obendrein: «Mit dem Schockfrosten bleiben mehr Mineralien und Vitamine erhalten», sagt die Küchenchefin. Am Mittag werden fünf Menüs angeboten, wobei das vegetarische 20 Franken kostet, das günstigste Fleischmenü 22, jeweils mit Suppe oder Salat. Die Menüs der Mittagskarte kann man täglich, also auch samstags und sonntags, bis 17 Uhr bestellen. Aber natürlich dürfe man auch nur für einen Kaffee oder ein Bier vorbeikommen, betonen die «Bären»-Chefinnen. Abends wird à la carte gegessen.

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1/2 Alina Rüdlinger betreibt eine Systemküche. Dabei werden bestimmte Speisen – hier Gerstensuppe – in grösseren Mengen im Voraus zubereitet und bei minus 40 Grad portionenweise schockgefrostet.

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Ein moderner, dominanter Grill zwischen Restaurant und Küche, der jeweils um 17 Uhr in Betrieb genommen wird, unterstreicht einen der Schwerpunkte des «Bären»: Auf der Abendkarte stehen unter anderem gegrilltes Rinderfilet, gegrillter Fetakäse und gegrilltes Rinds-Tataki, eine japanische Art der Fleischzubereitung. Das Fleisch stammt ausschliesslich aus der Schweiz. Dieses Tataki verweist auch auf eine andere Besonderheit des «Bären»: Alina Rüdlinger pflegt eine Küche, die Schweizer Gerichte neu interpretiert und in die auch fremde Einflüsse harmonisch integriert werden. Poulet mit Chimichurri zum Beispiel: «Das kenne ich aus Argentinien», sagt die Küchenchefin. So werden im «Bären» Gerichte aufgetragen, die man zu Hause nicht unbedingt selber kocht. Erste Reaktionen seien sehr positiv, freut sich die Köchin: «Ich bekomme Komplimente von der Art: Endlich eine Küche, die nicht 08/15 ist.» Für die Ausarbeitung der Menüs und die Kalkulation der Preise hat Alina Rüdlinger weitgehend freie Hand. Es sei «schön, dass ich diese Freiheit habe», freut sie sich: «So kann ich mega kreativ arbeiten.» Das WIR-Geld, mit dem einige Gäste bezahlen, kann die Küchenchefin zum Beispiel im Grossmarkt wieder umsetzen.

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Küchenchefin Alina Rüdlinger und Restaurantleiterin Cohana Steingruber haben bereits in einem andern «Bären» – demjenigen in Gonten – zusammengearbeitet

Restaurant Bären: Entspannt und familiär

Vom «Bären» Gonten mitgebracht hat Alina Rüdlinger die Restaurantleiterin Cohana Steingruber. Diese betont, dass in ihrem Lokal zwar professionell gearbeitet werde, jedoch eine entspannte, familiäre Stimmung herrschen soll: «Hier sagen sich alle du; die Gäste sollen sich wie zu Hause fühlen.» Zusammen mit Geschäftsleiterin Loacker und der Chefin der Grizzly Bar, Petra Petrovic, ist das ausschliesslich weibliche Führungsquartett im «Bären» komplett. Die Qualität des Angebots und die Atmosphäre im «Bären» zu Herisau haben sich schon bald nach der Eröffnung herumgesprochen. Bereits kommen Gäste von weiter her. Deshalb sind die vier Powerfrauen im Restaurant mit dem bisherigen Geschäftsgang sehr zufrieden.

Fotos: Henry Muchenberger

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