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Ressourcen-Sharing zwischen KMU

17 min.
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von Karina von dem Berge

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Um als KMU am Standort Schweiz erfolgreich bestehen zu können, ist Effizienz gefragt. Hierzu kann das Teilen von Ressourcen zwischen KMU beitragen und zudem Ausgangspunkt für neue Kooperationen zwischen Unternehmen sein.

Business-to-Business (B2B) Sharing ist in der Schweiz noch nicht sehr weit verbreitet, obwohl davon auszugehen ist, dass es verschiedene ökologische, ökonomische und soziale Nutzenpotenziale eröffnet. Dass solche Potenziale nicht nur theoretisch, sondern ganz konkret in Schweizer KMU realisierbar sind, beobachten Charly Suter von KMU Digitalisierung und Carla Kaufmann von companymarket.ch regelmässig in ihrem Arbeitsalltag.

Während Charly Suter KMU vor allem bei der Optimierung und Digitalisierung von Prozessen begleitet, befasst sich Carla Kaufmann mit der Vermittlung in den Bereichen Nachfolge und Unternehmensverkäufe. Beide erhalten tiefe Einblicke in die vielfältige Schweizer KMU-Landschaft und wissen von so manchem Beispiel für nicht komplett ausgelastete oder sogar brachliegende Ressourcen zu berichten. Gemäss ihrer Erfahrung kommen viele Unternehmen bisher nicht auf die Idee, solche Ressourcen zu teilen, obwohl sie dadurch einen zusätzlichen Mehrwert generieren könnten.

Aus diesem Grund waren die Unternehmerin und der Unternehmer direkt mit an Bord, als gemeinsam mit Uta Jüttner von der Hochschule Luzern sowie Charles Huber und Toni Wäfler von der Fachhochschule Nordwestschweiz die Idee für das Forschungsprojekt «KMU Sharingmarket» entstand, an dem sich auch die Bank WIR beteiligt hatte. Im von der schweizerischen Agentur für Innovationsförderung «Innosuisse» geförderten Projekt wurde vor allem darauf geschaut, warum KMU teilen – oder eben noch nicht teilen – und wie sie dabei vorgehen. Nach nunmehr zwei Jahren Laufzeit ging das Projekt per Ende Februar 2022 erfolgreich zu Ende.

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KMU und Wissenschaft treffen sich – hier bei der peka-metall AG im luzernischen Mosen.

Als Ergebnis des Projekts ist eine prozessorientierte Toolbox mit vier Instrumenten entstanden, die Suter und Kaufmann nun auch für andere KMU mittels einer digitalen Sharing-Plattform nutzbar machen möchten. Durch ihr gemeinsames Engagement bei companymarket.ch sind die beiden nämlich nicht nur bestens mit den Bedürfnissen von Schweizer KMU vertraut, sie blicken auch auf einige Jahre Erfahrung mit ihrer eigenen Onlineplattform zurück. Damit bringen sie alle Fähigkeiten mit, um die vier entwickelten Instrumente in einen nutzerfreundlichen Gesamtprozess auf kmusharingmarket.ch zu überführen. Wie in Abbildung 1 dargestellt, konnten durch die Beobachtung der Sharing-Transaktionen der involvierten KMU drei Phasen identifiziert werden:

  • die Phase des Onboardings
  • die Phase des eigentlichen Teilens
  • und zuletzt die Phase der Bewertung.

Der Startpunkt des Prozesses ist davon abhängig, ob die zu teilende Ressource bereits bekannt ist oder nicht. Möchte ein KMU von den vielfältigen Nutzen des Sharings profitieren, hat hierfür jedoch noch keine Ressource identifiziert, empfiehlt sich der Start mit Tool 1. Steht hingegen ein konkreter Ressourcenbedarf oder eine Überkapazität innerhalb des KMU fest, kann gleich mit Tool 2 gestartet werden.

 

Welches Sharing passt am besten?

Für viele Unternehmen handelt es sich beim Ressourcen-­Sharing um Neuland. Es liegt für sie nicht gleich auf der Hand, warum, wie und mit wem sie Ressourcen teilen sollten. Dies wird durch die Aussage eines Geschäfts­leiters aus der Anfangsphase des Projekts deutlich: «Unsere Anlagen sind schon sehr spezifisch und ich kann mir einfach nicht vorstellen, wie ich die zum Teilen anbieten könnte. Gleichzeitig weiss ich nicht, was ich jetzt in der Produktion brauchen könnte, also was ich mir auf dem Sharing-Markt holen könnte. Da fehlt es mir an der Kreativität und an der Erfahrung mit dem ganzen Thema. Bis jetzt ist es für mich immer noch eine Blackbox.»

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Abbildung 1: Die drei Phasen des Sharing-Prozesses auf der künftigen Plattform kmusharingmarket.ch: Onboarding, Teilen (Transaktion) und Erfolgsmessung bzw. Bewertung. Als besonders relevant für Sharing haben sich fünf Ressourcen ergeben, nämlich Produktionsmaschinen, Werkzeuge, Infrastruktur und ICT, Personal und Transport.

Aus diesem Grund ist es wichtig, eingangs das Sharing-Ressourcenpotenzial möglichst niederschwellig ermitteln zu können. Entsprechend wurde mit dem ersten Tool ein «Quickcheck» entwickelt, der «schlafende Ressourcen» und somit das Sharing-Ressourcenpotenzial über drei einfache Fragen aufdeckt:

  1. Liegt ein Bestand von Ressourcen mit hoher Investitionssumme und/oder hohen jährlichen Fixkosten vor?
  2. Wenn ja, unterliegt die Ressource hohen Auslastungsschwankungen und/oder hat eine Gesamtauslastung von z. B. unter 70 Prozent?
  3. Wenn ja, handelt es sich um eine Ressource mit einer mittleren Spezialisierung in Einsatz bzw. Nutzung?

Frage 1 zielt darauf ab, dass sich der Aufwand für das Teilen nur dann lohnt, wenn Ressourcen einen gewissen ökonomischen Stellenwert für das Unternehmen haben. Frage 2 hilft zu identifizieren, welche Ressourcen überhaupt teilbar wären, da sie zumindest teilweise nicht selbst benötigt werden. Frage 3 zeigt schliesslich auf, ob die Ressource für ein Sharing infrage kommt. Unspezifische Ressourcen können mit hoher Wahrscheinlichkeit günstiger selbst angeschafft werden. Für sehr spezifische Ressourcen gibt es hingegen kaum Interessenten oder es handelt sich um strategische Ressourcen, an die der eigene Wettbewerbsvorteil geknüpft ist.

 

Fünf relevante Sharing-Ressourcen

Möchte ein Unternehmen Sharing-Ressourcen identifizieren, ist dies durch die Beantwortung der Fragen für verschiedene Ressourcenarten möglich. Als besonders häufig relevant haben sich fünf Ressourcenarten ergeben, nämlich Produktionsmaschinen, Werkzeuge, Infrastruktur und ICT, Personal und Transport.

Mit dem zweiten Tool wird die passende Organisationsform für das Sharing-Projekt ermittelt, sodass die Suche nach einem geeigneten Sharing-Partner vereinfacht wird. Dies hängt stark von der Ressource ab, die geteilt werden soll, aber auch von den Präferenzen der Sharing-Partner. Hier wurden vier verschiedene Typen ermittelt, die sich einerseits bezüglich dem Wunsch nach sozialem Austausch zwischen den Sharing-Partnern und andererseits nach neutraler Unterstützung beim Teilen unterscheiden (vgl. Abbildung 2).

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Abbildung 2: Das Forschungsprojekt hat vier Sharing-Partnertypen ergeben, die sich in der gewünschten Tiefe des sozialen Austauschs (Vernetzungsgrad) und im Bedarf nach Unterstützung unterscheiden.

Die eigene Präferenz ermitteln die Interessierten durch die Beantwortung von zwölf Fragen, wodurch sie ihre Positionierung innerhalb der in Abbildung 2 dargestellten Matrix erhalten. Einer der KMU-Partner, der wenig sozialen Austausch wünscht und eine Unterstützung durch einen Vermittler nicht für notwendig erachtet, äusserte sich folgendermassen: «Aber am Ende ruft man sich kurz an und man hat es besprochen und man weiss, was man voneinander will. Man trifft sich und dann ist diese Geschichte erledigt. Ich denke, der Kontakt ist primär.» Für einen solchen Fall wäre ein «Schwarzes Brett» vollkommen ausreichend. Andere Unternehmensvertreter äusserten jedoch den Wunsch nach einem längerfristigen Austausch innerhalb einer festen Gruppe, z. B. um Vertrauen aufbauen zu können. Für diese Partner wäre das Teilen innerhalb einer Netzwerkgruppe passender. Entsprechend der so ermittelten Vorlieben findet das Onboarding für eines der Angebote der Sharing-Plattform statt. Dort kommt es zur Vermittlung mit dem passenden Partner.

 

Keine bösen Überraschungen

Gemeinsam mit dem Sharing-Partner wird im nächsten Schritt das dritte Tool zur Transaktionsplanung genutzt. Hierbei handelt es sich um eine Checkliste, mit deren Hilfe die Transaktions-Partner alle relevanten Aspekte des bevorstehenden Sharing-Projekts klären können. Durch das gemeinsame Ausfüllen wird deutlich, bezüglich welcher Punkte sich die beiden Parteien bereits einig sind. Beispielsweise werden Themen wie Vergütung, Versicherung und Transport adressiert, wobei die Partner selbst entscheiden, wie formal der Austausch geregelt und abgesichert werden soll. Die Checkliste soll vor allem die klare Verständigung zwischen den Involvierten fördern, damit es später keine bösen Überraschungen gibt. Deshalb kann die gemeinsam ausgefüllte Checkliste auch gleich als Sharing-Vereinbarung genutzt werden.

Das vierte und letzte Tool dient der Transaktionsbewertung. Es erfüllt zwei Funktionen: die Messung des Zufriedenheitsgrads mit dem abgeschlossenen Sharing-Projekt und die gegenseitige Bewertung der beteiligten Parteien für die Sharing-Plattform. Da die Zufriedenheit mit dem Sharing auch auf einem Abgleich mit der eigenen Erwartung basiert, wird diese bereits vor der eigentlichen Transaktion beim Onboarding aufgenommen und dann mit der tatsächlichen Erfahrung nach dem Sharing abgeglichen. Ein Teil der Abfrage bezieht sich auf den Sharing-Partner, sodass automatisch auch eine Partner-Bewertung für die Plattform generiert werden kann.

 

Alltagstaugliche Basis

Die vorgestellten Tools sind zusammen mit den involvierten KMU entwickelt und validiert worden. Ein reduzierter Prototyp, auch als «Minimum viable product» bekannt, wurde von den involvierten KMU bereits während des Projekts getestet. So konnten konkrete Anforderungen aus dem Alltag wie z. B. eine regionale Eingrenzung bei der Auswahl von Sharing-Partnern direkt aufgenommen werden. Damit ist eine solide, alltagstaugliche Basis für die Entwicklung der neuen Schweizer B2B-Sharing-Plattform geschaffen.

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Carla Kaufmann und Charly Suter lancierten Mitte März die neue Plattform kmusharingmarket.ch. | Foto: Frutig

Für Charly Suter und Carla Kaufmann beginnt nun die nächste, arbeitsreiche «to market-Phase». Sie haben sich zum Ziel gesetzt, die im Forschungsprojekt erarbeiteten Tools zur Förderung des B2B-Sharings auf einer digitalen Sharing-Plattform für Schweizer KMU zugänglich zu machen und so das Potenzial des B2B-Sharings zu fördern. Durch die digitale Umsetzung soll der gesamte Prozess effizienter werden und flexibel an die spezifischen Bedürfnisse jedes individuellen Sharing-Projekts angepasst werden können. Hierzu planen sie aktuell die Gründung der «SharingCorp» und sind auch auf der Suche nach weiteren Investoren. Eingangs konzentriert sich die erarbeitete Plattform auf die Deutschschweiz, da sich der regionale Fokus als zentraler Erfolgsfaktor für Sharing-Transaktionen erwiesen hat.

Das steckt hinter KMU-Sharing

B2B-Sharing

In der Sharing Economy geht es darum, als KMU nicht voll ausgelastete Ressourcen zur Verfügung zu stellen und mit anderen KMU zu teilen oder zu tauschen. Ähnlich wie für das Sharing zwischen Konsumenten, auch als C2C-Sharing bekannt, besteht auch für das B2B-Sharing bisher keine allgemeingültige Definition.
Deshalb wurde innerhalb des durchgeführten Forschungsprojekts zu Beginn ein gemeinsames Begriffsverständnis mit allen Projektpartnern entwickelt. Es umfasst die folgenden Aspekte:
  • Geteilte Ressourcen sind im Besitz von einem oder mehreren der Sharing-Partner.
  • Die Ressourcen werden nacheinander oder gleichzeitig von allen Sharing-Partnern genutzt.
  • Das Sharing ist nicht das Kerngeschäft der beteiligten Sharing-Partner und hebt sich dadurch von klassischen Vermietungen oder von Temporärbüros ab.
  • Die Vergütung einer Sharing-Leistung findet in der Regel zu Selbstkosten statt und ist somit von klassischen Kunden-Lieferanten-Beziehungen zu unterscheiden.
  • Ein Vermittler wie z. B. eine Sharing-Plattform kann, muss aber nicht einbezogen werden.

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