Schwieriges Erbe: Nachfolge im Familien-KMU
Seit Jahren spekuliert die Klatschpresse, ob Prinz Charles je den Thron von Queen Elizabeth II. erben wird; vielleicht geht er direkt an seinen Sohn William über. Ein Lernstück für KMU? Und ob.
Bei der Übergabe von Familienunternehmen auf die nächste Generation spielen hohe Erwartungen, komplexe Interessenverflechtungen und auch unterschiedliche Emotionen eine zentrale Rolle. Für die reibungsarme Weiterführung der Firma müssen die Weichen frühzeitig richtig gestellt werden.
Folgende Parallele sei zur Veranschaulichung erlaubt: Wenn es um die Nachfolgeregelung geht, stehen Königshäuser und Familien-KMU vor ähnlichen Herausforderungen. Mit Blick in den Buckingham Palast spekuliert die Klatschpresse seit Jahren, ob Prinz Charles je den Thron von seiner Mutter erben wird; vielleicht geht er direkt an seinen Sohn William über. Sein Vater befindet sich im Pensionsalter noch immer in der wenig dankbaren Warteposition als neues Familienoberhaupt. Das Haus Windsor zeigt als öffentlich bekanntes Beispiel, wie anspruchsvoll die Stabsübergabe ist.
Angeheiratete Familienmitglieder
Schon vor der Geburt einer Tochter oder eines Sohnes besteht in Adelshäusern und in Unternehmerfamilien die Hoffnung auf eine Nachfolgerin oder einen Nachfolger. Oft müssen erwachsene Kinder in Rollen schlüpfen, die vor allem dem Erhalt des Familienbetriebes dienen, nicht aber ihren Talenten und Neigungen entsprechen. Im Gegensatz zu anderen jungen Menschen haben sie bezüglich ihres Berufs- und Karrierewegs wenig Wahlfreiheit.
Auch die Partnerin oder der Partner des Unternehmensnachfolgers beziehungsweise der -nachfolgerin muss ihren Platz in diesem stark strukturierten Familiengefüge finden. Bis heute werden die schwierige Rolle und das Scheitern von Prinzessin Diana im «Familienunternehmen Windsor» in den Medien immer wieder thematisiert.
Lehnen sie sich gegen die Forderungen der Familie zu sehr auf, sind Spannungen programmiert.
An ihrem Beispiel lässt sich erkennen, wie viele unterschiedliche Erwartungen an ein angeheiratetes Mitglied einer Familie gestellt werden. Sie werden automatisch zu Mitrepräsentanten einer Firma und stehen unter Beobachtung. Ihr individueller Spielraum zur Gestaltung des Alltags engt sich ein. Wenn sie sich zu sehr selber verleugnen, werden sie kaum glücklich werden. Lehnen sie sich andererseits gegen die Forderungen der Familie zu sehr auf, sind Spannungen programmiert; sie werden stets eine Aussenseiterrolle innehaben oder in der Position des lästigen Störenfrieds landen.
Der goldene Käfig
Wenn es nicht gelingt, einen Konsens zwischen den unterschiedlichen Interessen und Bedürfnissen der Generationen zu entwickeln, kann die Unternehmensnachfolgerin oder der -nachfolger in beträchtliche Loyalitätskonflikte zwischen seinen Eltern und seiner Frau respektive ihrem Mann geraten. In einzelnen Familienbetrieben wird hinter vorgehaltener Hand vom «goldenen Käfig», in dem Unternehmerkinder leben, gesprochen.
Während bei Geschäftspartnern die Arbeit und das Privatleben in der Regel getrennt sind, ist die Verbindung in Unternehmerfamilien sehr viel enger und verflochtener, Stichwort: Enkel. Vonseiten der Elterngeneration wird beispielsweise erwartet, dass Weihnachten und runde Geburtstage in der Familie gemeinsam gefeiert werden. Geschäftliche und private Interessen vermengen sich. In einzelnen Gewerbebetrieben überschneiden sich sogar die Haushalte. Bei diesem engen Miteinander im Alltag kann es leicht zu Reibungsflächen kommen.
Familie, Arbeit und Eigentum sind in KMU miteinander verwoben
Die Psychologin Sandra Konrad schreibt in diesem Zusammenhang: «Naturgemäss ist in Unternehmen die Phase der Übergabe der Verantwortung ein emotionales Minenfeld aus Kränkbarkeiten, Machtansprüchen, Respekteinforderungen und Machtgerangel.» Wenn die Machtübergabe unter Fremden stattfinde, können sich die Konfliktparteien aus dem Weg gehen. «Vor allem aber gehen sie abends nach Hause zu ihren Familien und können über den Gegner schimpfen.» Streit in Familienunternehmen schlägt gemäss der Autorin des Buches «Das bleibt in der Familie. Von Liebe, Loyalität und uralten Lasten» (Piper-Verlag) auch im privaten Bereich Wellen. «Der widerständige, aufwieglerische Mitarbeiter ist ja gleichzeitig der Sohn und der starrsinnige, altmodische Chef gleichzeitig der Vater.»
Wenn nicht klare Regeln eingeführt werden, dass Geschäftliches und Privates getrennt werden, können Familien an solchen Streitigkeiten zerbrechen, so Konrad. «Die Differenzierung zwischen Privatem und Geschäftlichem ist einfacher gesagt als getan, denn tatsächlich sind gleich drei existenzielle Bereiche – die Familie, die Arbeit, das Eigentum – miteinander verwoben, und dies führt zu den besonderen Schwierigkeiten, mit denen Unternehmerfamilien oftmals zu kämpfen haben.»
Ein Firmenimage hat sich etabliert, das nicht leichtfertig aufs Spiel gesetzt werden darf.
Dabei spielt auch ein wesentlicher Unterschied zu blaublütigen Dynastien eine entscheidende Rolle, Adelshäuser bestehen oft seit vielen Generationen, Titel und Besitz gehen fortwährend von den Eltern auf die Kinder über. Im Gegensatz dazu haben Familien-KMU einst bei null begonnen. Aus bescheidenen Anfängen wuchs der Sanitärbetrieb, das Hotel oder die Gärtnerei über Jahrzehnte. Das Geschäftsvolumen und die Mitarbeiterzahl entwickelten sich stetig. Langjährige Beziehungen zu Lieferanten und Kunden sind gewachsen.
Rückschläge mussten gemeistert werden. Und auch ein Firmenimage hat sich etabliert, das nicht leichtfertig aufs Spiel gesetzt werden darf. In diese mächtigen Fussstapfen muss nun eine Juniorchefin oder ein Juniorchef treten. Die Firma soll im Sinn und Geist der Gründergeneration in die Zukunft geführt werden.
Beiträge von beiden Generationen
Oft haben die Eltern ihren geschäftlichen Erfolg durch anfängliche erhebliche materielle Einschränkungen und den jahrelangen Verzicht auf Freizeit und Ferien erarbeitet. Da erstaunt es kaum, dass sie von der Nachfolgegeneration Respekt und grosse Dankbarkeit für ihre beträchtliche Vorleistung erwartet. Aus deren Perspektive hat allerdings auch sie einen erheblichen emotionalen Preis für den Erfolg der Eltern bezahlt: Schon als Kinder erlebten sie, dass das Geschäft und die Kunden stets Vorrang hatten, gemeinsame Ausflüge oder Mussestunden in der Familie hatten Seltenheitswert. Sie mussten ihre Ansprüche den Interessen des Geschäftsbetriebs unterordnen.
Womöglich wurden sie schon früh für kleine Botengänge oder Handreichungen eingesetzt. Sie finden, sie hätten ihrerseits einen Beitrag an den Erfolg der Firma geleistet, auch ihnen stehe Wertschätzung und Dankbarkeit zu. In Zeiten der Krise in einem Familienbetrieb können derartige schwelende Altlasten als Vorwürfe an die Oberfläche gespült werden, was im Extremfall zu einem nachhaltigen Zerwürfnis führen kann.
Frühzeitig die Verhältnisse klären
Um einen Familienbetrieb möglichst reibungsarm auf die nachfolgende Generation zu übertragen, sollten die gegenseitigen Erwartungen frühzeitig klar formuliert werden. In Familien herrscht ein langjährig eingespieltes Zusammenwirken im Alltag. Die Annahme, bei diesem vertrauten Umgang wüssten die anderen Mitglieder trotz weniger Worte schon, was gemeint ist, kann zu unangenehmen Überraschungen führen: Wenn die bisher unausgesprochenen unterschiedlichen Erwartungen und Vorstellungen plötzlich offen zu Tage treten, kann viel Geschirr zerschlagen werden – Schweigen ist hier keineswegs Gold.
In der Übergangsphase müssen die Verantwortlichkeiten, Zuständigkeiten und Kompetenzen klar geregelt werden. Für beide Seiten steht nun eine Rollenveränderung an. Wenn ein Seniorchef und ein Juniorchef unterschiedliche Führungsstile pflegen und abweichende Vorgaben erteilen, leidet das Betriebsklima erheblich. Machtkämpfe vor den Mitarbeitenden sollten unbedingt vermeiden werden.
Es geht um nichts weniger als den Fortbestand einer langjährigen Firma.
Im Weiteren müssen auch die Besitzverhältnisse rechtzeitig eindeutig geregelt werden, dabei sind auch allfällige Geschwister einzubeziehen, damit sie sich nicht übergangen fühlen und eines Tages ultimativ Ansprüche stellen. Nicht immer gelingt es, die unterschiedlichen Erwartungen und Vorstellungen aller Beteiligten auf einen Nenner zu bringen. Dann sollte man sich nicht scheuen, einen spezialisierten Coach, Mediator oder Unternehmensberater beizuziehen; es geht um nichts weniger als den Fortbestand einer langjährigen Firma.
Und auch um den Erhalt des Familienfriedens.
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