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«Mein Ding sind kurze, steile Passagen»

16 min.
Flury

von Daniel Flury

22 Beiträge

Die Westschweizerin Elise Chabbey hat an der Tour de Suisse Women 2023 den Bergpreis gewonnen, versteht sich aber nicht als eigentliche Kletterin. Dieses Jahr dick angestrichen in ihrem Rennkalender sind die Olympischen Spiele in Paris und die Rad-Weltmeisterschaften in Zürich.

Elise Chabbey (31) gilt als Kämpferin, die auch bei Wind und Wetter Höchstleistungen erzielen kann. Letztes Jahr hat die Genferin nicht nur den von der Bank WIR gesponserten Bergpreis der Tour de Suisse Women gewonnen, sondern auch den Bergpreis der Tour of Scandinavia, die in Norwegen, Schweden und Dänemark ausgetragen wird. 2022 gewann sie die Bergpreiswertung der Women’s Tour und der Itzulia Women und zeigte ihre Stärken am Berg auf Etappen des Giro d’Italia Women (2021 und 2022) und der Vuelta Feminina (2023).

Trotz dieser Erfolge sieht sie sich nicht als Bergspezialistin, da sie ihre Stärke auf steilen Passagen nur dann so richtig ausspielen könne, wenn sie sehr kurz sind. Die Schweizer Meisterin im Strassenrennen (2020) und zweifache Weltmeisterin in der Mixed Staffel (2022 und 2023) hat erst 2016 mit dem Radsport begonnen. Ihre sportliche Laufbahn startete sie als Kanutin, was 2012 zur Teilnahme an den Olympischen Spielen und dem 20. Rang im Slalom der Einer-Kajaks führte. Als Langstreckenläuferin gewann sie den Halbmarathon beim Genf-Marathon. Wenig angetan von den bescheidenen Erfolgen auf dem Wasser und auf Wunsch der Eltern, nahm Elise Chabbey das Studium der Medizin auf und sattelte aufs Velo um – auch, um einen Ermüdungsbruch am Becken auszukurieren.

Seit 2020 gehört Elise Chabbey dem Team Canyon-SRAM Racing an, einem der professionellsten Teams im Frauen­radsport. Seit März dieses Jahres lässt sie sich managen, um sich noch intensiver auf den Radrennsport fokussieren zu können.

Dieses Jahr finden die vier Etappen der Tour de Suisse Women vollständig in der Romandie statt. Ist das für Sie als Westschweizerin ein Vorteil oder ein Nachteil wegen des Erwartungsdrucks?

Elise Chabbey: Weder noch. Ich finde Rennen, die in der Schweiz stattfinden, schon mal gut, und wenn die Tour de Suisse Women in der Romandie stattfindet, ist es noch cooler, weil dann noch mehr Freunde und Mitglieder meiner Familie vor Ort sein können.

Ist die Tour de Romandie für Sie als Westschweizerin wichtiger als die Tour de Suisse?

Nein, für mich sind beide Rennen absolut gleichwertig.

Letztes Jahr haben Sie an der Tour de Suisse Women den Bergpreis gewonnen. Was sind Ihre Ziele für 2024?

Ich habe bis jetzt (Anm. d. Red.: 20. März) die Etappen noch nicht studiert und weiss also nicht, ob und wie sie mir liegen und was drin liegt. Das hängt alles auch davon ab, in welcher Form ich mich dann befinde und wer jeweils Leader ist. Es hat vor der Tour de Suisse noch viele andere Rennen, auf die ich mich jetzt konzentrieren muss. Sicher ist, dass ich auch an der Tour de Suisse Women alles geben werde!

Wie bereiten Sie sich auf die Tour de Suisse Women vor?

Ich bereite mich nicht spezifisch darauf vor. Dieses Jahr finden in Paris vom 26. Juli bis 11. August die Olympischen Spiele statt. Im Vordergrund steht deshalb eine mögliche Teilnahme. Dazu kommen die Weltmeisterschaften ab 22. September in Zürich. Die Tour de Suisse ist dieses Jahr also in erster Linie ein Vorbereitungsrennen.

Wie haben Sie sich von Ihrer Knieverletzung erholt?

Ich habe wegen dieser Verletzung einen Monat Trainingszeit verloren und begann erst im Januar anstatt schon im Dezember zu trainieren. Es geht mir eigentlich recht gut. Mein Ziel ist es, den Trainingsrückstand so gut und so schnell wie möglich aufzuholen.

Was erachten Sie als Ihren bisherigen grössten Erfolg?

Neben all den Erfolgen an den unterschiedlichsten Rennen halte ich es für einen wichtigen Erfolg, dass es mir gelungen ist, mein Medizinstudium mit der Profikarriere als Radrennfahrerin zu vereinbaren.

Elise Chabbey

Ihre Kollegin Marlen Reusser hat letztes Jahr die Tour de Suisse Women gewonnen. Ist sie Ihre Favoritin für die diesjährige Tour?

Marlen ist auf jeden Fall als Favoritin am Start. Sie ist stark in allen Disziplinen, vor allem natürlich im Zeitfahren, und wird meiner Einschätzung nach schon in der ersten Etappe ein Zeichen setzen.

Sie und auch Marlen Reusser sind sportliche Multi­talente. Ist das eine gute oder sogar nötige Voraussetzung, um im Radsport zu reüssieren?

Nein, das glaube ich nicht. Sicher ist eine sportliche Vielseitigkeit gut für die allgemeine Fitness und Entwicklung der Muskulatur und Motorik, aber eine Regel oder einen Grund, dass man als polyvalenter Sportler in einer bestimmten Disziplin erfolgreicher ist, gibt es meines Erachtens nicht.

Es gibt eine weitere Parallele zwischen Ihnen und Marlen Reusser: Sie sind beide Ärztinnen. Diskutieren Sie eher medizinische oder eher sportliche Fragen, wenn Sie sich treffen?

Der Radsport ist für uns beide in dieser Lebensphase wesentlich wichtiger (lacht). Unsere berufliche Ausbildung als Ärztin kommt so gut wie nie zur Sprache.

Beat Breu – der die Tour de Suisse 1981 und 1989 gewonnen hat – war unter den Männern, was Sie unter den Frauen sind: ein Bergspezialist. Sein Spitzname war Bergfloh. Wäre das eine angemessene Bezeichnung auch für Sie?

Eigentlich verstehe ich mich gar nicht so sehr als typische Kletterin. Als solche muss man über längere Strecken bergauf stark sein – wie eben Beat Breu. Mir liegt es mehr, wenn es darum geht, während zwei bis fünf Minuten alles auf einer Steigung zu geben. Mein Ding sind kurze, steile Passagen. Da bin ich hart im Nehmen!

Elise Chabbey

Sie gehören seit 2020 zum Team Canyon-SRAM Racing. Welche Rolle haben Sie in diesem Team?

Meine Rolle ist die einer Co-Leaderin, und ich initiiere Attacken. Leaderin ist Katarzyna «Kasia» Niewiadoma aus Polen. Grundsätzlich fahre ich mit der Leaderin.

Dieses Team setzt sich aus 15 Radsportlerinnen aus 10 Nationen zusammen. Sie sind die einzige Schweizerin – fühlt man sich da manchmal einsam?

Nein, überhaupt nicht. Wir stehen uns alle sehr nahe. Es gibt keine Differenzen, weder zwischen den Sportlerinnen noch zwischen den einzelnen Nationen.

In welchen Bereichen können Sie sich noch verbessern?

Ich sehe überall Verbesserungspotenzial, sei es physisch, taktisch oder auch am Berg.

Seit Kurzem werden Sie von der ProTouchGlobal GmbH mit Sitz in Goldau gemanagt. Was hat zu diesem Schritt geführt?

Ich hatte zuvor noch nie ein Management. Ich erhoffe mir durch diesen Schritt, mich noch besser und intensiver auf den Radsport konzentrieren und alles andere an mein Management delegieren zu können.

Wie sehen Sie die Entwicklung des Frauensports?

Wir Frauen sind immer noch im Nachteil, sei es etwa bezüglich Übertragungszeiten im Fernsehen, Preisgeldern oder Sponsoring. Aber alles entwickelt sich sehr schnell und geht im Ganzen gesehen in die richtige Richtung.

Sie haben 2012 an den Olympischen Spielen in London als Kanutin teilgenommen. Ist es Zeit, als Radrennfahrerin an den Olympischen Spielen in Paris dabei zu sein?

Ja! Im Gegensatz zu den Olympischen Spielen in Tokio von 2021, als nur ein einziger Platz für die Schweizer Radrennfahrerinnen zu vergeben war, sind dieses Jahr in Paris vier Plätze zu besetzen. Den Entscheid, wer nach Paris fahren kann, fällt das Selektionskomitee.

Werden Sie nach Ihrer Karriere als Sportlerin in den Arztberuf zurückkehren?

Darüber mache ich mir aktuell keine Gedanken. Ich liebe den Radsport, und solange ich ihn ausüben und davon leben kann, bleibe ich dabei. Ich halte mir alle Optionen offen – on verra!

Die Bank WIR und die Tour de Suisse

Die Bank WIR ist von 2023 bis 2025 Premium Partner der Tour de Suisse und präsentiert das Bergpreistrikot. Die Tour de Suisse – sie findet 2024 vom 9. bis 18. Juni statt – ist der grösste alljährlich statt­findende Sportanlass im Land und ein Radsportfest für die breite Öffentlichkeit.

Platz 1 für die Bank WIR

Dort ist der globale Mega­trend Velofahren längst angekommen, und dort befindet sich das Zielpublikum für die Spar- und Vorsorgeprodukte der Bank WIR, die 2023 in einer Umfrage von «Handelszeitung», «PME», «HZ Banking» und «Statista» in der Kategorie Spar- & Vorsorgeangebot auf Platz 1 aller 235 Schweizer Banken gelandet ist. Auch in den drei weiteren Kategorien hat sie es unter die Top 15 gebracht: Kredit- und Hypothekarangebot (Rang 12), Digitales Angebot (14) und Service und Beratung (15).

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