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«Kundenorientierung ist das Wichtigste»

11 min.
PR und Corporate Communication der Bank WIR

von Volker «Vloggy» Strohm

22 Beiträge

Karin Zahnd Cadoux (46) ist neue Verwaltungsratspräsidentin der WIR Bank. Im Interview zeigt sich die Bernerin von ihrer persönlichen Seite, kritisiert kurzfristiges Denken – und erklärt ihre Ansprüche und strategischen Visionen.

Wir stehen vor dem Berntor mitten in Murten. Was bedeutet dir dieser Ort?

Karin Zahnd Cadoux: Ich fühle mich hier daheim. Und es ist schlicht ein schöner Ort – und ich liebe grundsätzlich schöne Dinge.

Damit wären wir bereits bei der Charakterisierung von dir als neue Person an der Spitze der WIR Bank. Um eine abgedroschene Formulierung zu wählen: Karin, wer bist du?

Ein fröhlicher, aufgestellter Mensch. Und ich bin mittlerweile auch eine erfahrene Geschäftsfrau, die immer «auf 100» läuft. Ich bin integrativ und ich versuche, die Mitarbeiter und Kollegen von ihrem Standpunkt abzuholen. Ich muss Lösungen finden. Wenn ich das Gefühl habe, dass ein Weg nicht funktioniert, kann ich aber auch bestimmt intervenieren.

Ungeduldig?

Nein.

Wie drückt sich das bestimmte Intervenieren aus?

Ich ziehe meine Linie durch und insistiere. Aber ich kann diskutieren. Und zwar so lange, bis eine Lösung gefunden ist. Oder bis zum Punkt, an dem ein Entscheid gefällt werden muss.

Was muss man tun, um …

… mich in einer Diskussion wütend zu machen? (lacht)

Nein, um dich auf deinem Weg umzustimmen.

Wenn Diskussionen offen und fair geführt werden, habe ich damit überhaupt kein Problem. Schwierig wird es dann, wenn jemand nicht loyal und nicht konstruktiv ist – dann bekunde ich grosse Mühe. Ebenso Falschheit kann ich nicht ausstehen. Ich arbeite sehr gerne mit lösungsorientierten Menschen mit positiver Einstellung zusammen. Dann kann man mich auch überzeugen.

Das tönt sehr geradlinig und zielstrebig – und du läufst «auf 100». Kannst du überhaupt abschalten?

Oh ja, sogar sehr gut.

Wann und wie?

Wenn ich nach Hause komme und in den Garten gehe. Oder bei einem Spaziergang mit dem Hund. Natur ist für mich sehr wichtig – und das Gärtnern mein grösstes Hobby.

Hand aufs Herz: Fällt das Abschalten schwer?

Nein.

Nie?

Es fällt nur dann schwer, wenn ich für eine bestimmte Sache noch keine Lösung sehe. Dann bekunde ich Mühe, dann dreht es im Kopf – bis ich die Lösung finde.

Und eine solche Lösung findest du mitunter im Garten.

Ja. Oder manchmal um 4 Uhr morgens im Bett.

Dann musst du aufstehen und Notizen machen.

Nein. Ich lege mir etwas neben das Bett – und erinnere mich beim Aufwachen wieder daran.

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«Ich sehe Kontinuität, aber ich will unbedingt meinen eigenen Weg gehen.»

Das könnte sich künftig häufen. Du bist neu an der Spitze der WIR Bank. Was bedeutet dir das?

Einerseits freut es mich, dass mir das Vertrauen ausgesprochen worden ist – anderseits begegne ich der Aufgabe natürlich mit dem nötigen Respekt. Das WIR-System befindet sich in einer nicht ganz einfachen Situation, das Umfeld ist anspruchsvoll. Aber ich bin zuversichtlich, dass ich mit meinem Optimismus den nötigen Schwung reinbringen kann. So können wir – zusammen mit meinen Verwaltungsratskollegen und der Geschäftsleitung – vorwärtskommen.

Du hast den ganzen Verwaltungsrat angesprochen: Wie wichtig ist dir ein Team?

Natürlich sehr wichtig. Lass es mich so formulieren: Ich hätte mich nie zur Verfügung gestellt, wenn ich nicht gespürt hätte, dass ich von den Kollegen und meiner Kollegin getragen und akzeptiert wurde. Zudem bin ich der Meinung, dass man in einem konstruktiven und offenen Klima in einem Team die besten Lösungen findet.

Weshalb wollten sie dich?

Ich denke, wegen meinen Charakterzügen und Eigenschaften, die ich bereits beschrieben habe: lösungsorientiert, integrierend, aber bestimmt. (lacht) Ich kann schon auch ein Dickschädel sein.

Die Rolle als Verwaltungsrätin ist für dich ja nicht neu, du wurdest vor fünf Jahren ins strategische Gremium der WIR Bank gewählt. Neu ist aber als Präsidentin die Rolle gegen aussen, wie beispielsweise beim heutigen Interview. Suchst du diese Präsenz?

Nein. Mich interessieren viel eher die Dossierarbeit, das Diskutieren und Vorwärtskommen. Aber natürlich stehe ich auch dafür zur Verfügung, weil es zur Aufgabe schlicht dazu gehört.

Täuscht der Eindruck, dass du es nicht ungern tust?

Nein, das täuscht nicht. Es ist noch etwas ungewohnt, aber ich habe auf jeden Fall keine Angst davor. Schliesslich arbeite ich selbst mit WIR und stehe dazu – immer schon. Und ganz wichtig: Die WIR Bank ist eben nicht «nur» WIR, sondern auch Bank. Ich will dazu beitragen, dass dieses Verständnis verstärkt und das Image besser wird. Kurzum: dass wir vorwärtskommen.

Was trägst du als Person Karin Zahnd Cadoux dazu bei?

Ganz wichtig ist, dass wir die Gewichtung der zu diskutierenden Themen in den Vordergrund rücken müssen: was und in welcher Reihenfolge? Mit der Zunahme der Regulierungsdichte ist es nicht immer einfach, auch für die anderen Themen genügend Zeit zu haben. Die Stimmung im Verwaltungsrat ist sehr gut, aber wir auch können sehr konstruktive Streitgespräche führen. Am Schluss muss die Lösung auf dem Tisch liegen.

Du trittst die Nachfolge von Oliver Willimann an. Nachfolge heisst immer auch Fussstapfen ausfüllen. Wird dir das gelingen – oder willst du bewusst eigene Wege gehen?

Oliver war ein sehr guter Präsident, aber ich will unbedingt meinen eigenen Weg gehen. Ich bin nicht Oliver, es muss für mich stimmen. Und trotzdem sehe ich natürlich Kontinuität: Auch er ist ein optimistischer und positiv denkender Mensch, der Diskussionen zugelassen hat – und lösungsorientiert war.

Beim Stichwort Kontinuität müssen wir Germann Wiggli erwähnen: Der bisherige CEO wurde in den Verwaltungsrat gewählt. Was bedeutet das für dich?

Ich erhoffe mir, dass sein ganzes Wissen in den Verwaltungsrat einfliessen wird. Er kennt die WIR Bank natürlich bestens. Durch seine neue Funktion und die Ablösung vom Tagesgeschäft kann er seine Kenntnisse der Branche und der Bank nun vermehrt auch im strategischen Bereich einbringen. Das stellt einen Gewinn für den Verwaltungsrat dar. Anfänglich wird es zwar eine Umstellung sein, in anderen Rollen zusammenzuarbeiten – aber ich denke, das wird sich rasch einspielen.

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«WIR symbolisiert die WIR Bank, doch es soll nicht das einzige Thema sein.»

Die herausfordernde Situation, in der sich das WIR-System sich befindet, wurde bereits angesprochen. Wie kann die Trendwende herbeigeführt werden?

Mit Knochenarbeit, die von der operativen Ebene geleistet werden muss. Einerseits durch die Erbringung qualitativ hochstehender Dienstleistungen und anderseits ist auch die neue Marketingstrategie sehr wichtig. Unsere Werbekampagne im Frühjahr 2019 mit den Kunden-Testimonials auf verschiedenen Kanälen hat bereits bewiesen, wie dem Thema WIR ein positives Image verliehen werden kann. Das Hauptargument ist – aufgrund der Rahmenbedinungen – heute nicht mehr die Zinsdifferenz, sondern das Netzwerk. Ich habe dank WIR sehr viele Kontakte in die ganze Schweiz knüpfen können, die ich sonst nicht hätte. WIR ist längst kein Selbstläufer mehr, wie dies noch in der Hochzinsphase der Fall war. Trotzdem sind nach wie vor viele Vorteile vorhanden, die wir beispielsweise gerade jungen Leuten kommunizieren müssen, die eine neue Firma gegründet haben. Das Netzwerk bietet da tolle Chancen.

Was ist strategisch das wichtigste Thema?

Lass es mich so formulieren: WIR ist für die WIR Bank natürlich ein wichtiges Geschäft, aber ebenso wichtig ist die Diversifikation. Und für mich das Wichtigste: die Kundenorientierung.

Braucht es WIR überhaupt noch?

Unbedingt. Es ist eine Chance für alle, die damit arbeiten – ich will darauf nicht verzichten. Die Existenz der vielen Parallelwährungen und der Trend zur Nachhaltigkeit zeigt doch klar, dass das Thema latent aktuell ist. Schweizer KMU, die mit WIR arbeiten, unterstützen andere Schweizer KMU; das entspricht dem Trend zum lokalen Handeln. WIR hatte lange Zeit einen schlechten Ruf, doch durch die Qualität unserer Dienstleistung und Beratung und durch die Unterstützung und Gewinnung von KMU, die ebenso Wert auf Qualität ihrer Dienstleistungen und Produkte legen, können wir das Image stetig verbessern.

Weshalb ist das Image überhaupt ein Thema? Die Idee, die Geschichte hinter WIR ist doch bestechend: Stärkung der KMU, Stärkung des Werkplatzes Schweiz – das kann doch niemand schlechtreden.

Wenn es einem gut geht und sich Geschäfte einfach abschliessen lassen, fragt man sich natürlich, weshalb man für den Einsatz von WIR einen zusätzlichen Aufwand betreiben soll. Aber was viele vergessen: Mit WIR können sie auch in so einem Umfeld zusätzliche Geschäfte abschliessen, die sie sonst gar nicht getätigt hätten. Das ist doch auch einen zusätzlichen Aufwand wert. Zudem schätze ich das Netzwerk, das sich daraus ergibt.

Was löst es bei dir aus, wenn – beispielsweise in den Medien – schlecht von WIR geredet wird?

Es ist immer dann frustrierend, wenn sich Leute äussern, die gar nicht wissen, wovon sie reden. Es wird transportiert, was irgendwo mal als Halbwissen aufgeschnappt worden ist. Diese Leute wollen sich gar nicht mit dem Thema WIR befassen. Auch ich werde von Geschäftspartnern immer wieder mal kritisch zu WIR befragt. Etwas «speziell» ist es dann, wenn genau die gleichen Personen in der Vergangenheit von der Komplementärwährung profitiert haben. So etwas geht schnell vergessen, der Mensch ist kurzfristig denkend.

Wie wehrst du dich dagegen?

Ich kann es nur so beeinflussen, indem ich mit meiner positiven Art für WIR einstehe.

Wohin geht die Reise der WIR Bank unter deiner Ägide?

Ein Dauerbrenner ist natürlich das Stichwort «Digitale Bank». Wir können nicht den Weg der Retailbanken gehen und ein möglichst flächendeckendes Filialnetz aufbauen, sondern müssen nicht trotz, sondern dank der Digitalisierung möglichst nahe zum Kunden kommen. Alle Banken befinden sich derzeit im Umbruch, eine Prognose zu stellen, wohin die Reise gehend wird, ist entsprechend schwierig.

Aber es werden eindeutig neue Wege sein?

Natürlich halten wir für jegliche Opportunitäten alle Augen und Ohren offen. WIR symbolisiert die WIR Bank, aber es soll nicht das einzige Thema sein, mit der sie assoziiert wird: Wichtig sind auch andere gute, moderne Dienstleistungen – unabhängig davon, ob digital oder persönlich. Und wieder sind wir beim Thema Kundenorientierung; darauf will ich den Fokus setzen.

Deine Vision für die nächsten zwei, drei Jahre: Worüber diskutieren wir, wenn wir uns in 2022 wieder in Murten treffen?

(lacht) Ich weiss nicht, wie schnell sich Veränderungen umsetzen lassen …

… ich erhöhe auf 2024 in Murten.

Ein wichtiges Thema ist sicherlich VIAC – und damit einhergehend die Diversifikation. Wir als solides, rein schweizerisches Unternehmen müssen als moderne, digitale Bank mit interessanten Produkten und top Dienstleistungen wahrgenommen werden, die zusätzlich die Schweizer KMU mit der Komplementärwährung WIR unterstützt.

Die Wichtigkeit der Diversifikation ist deutlich rauszuhören. Nebst der KMU-Förderung sind die sehr attraktiven Zinskonditionen im Privatkundenbereich aber längst nicht bei allen angekommen – sprich: Dass die WIR Bank auch Bank ist, weiss nicht jeder.

Natürlich müssen wir das analysieren. Ob reine Werbemassnahmen genügen oder sogar ein Namenswechsel die richtige Lösung ist, kann ich aktuell nicht beantworten. Einem Namenswechsel stehe ich grundsätzlich eher kritisch gegenüber. Der Begriff «wir» hat ja eine äusserst positive Ausstrahlung. «Wir» heisst gemeinsam. Aber ich bin offen für alles, was die WIR Bank vorwärtsbringt.

(Fotos: Raffi Falchi)

10 Begriffe – auf den Punkt gebracht

KMU
Das Rückgrat der Schweizer Wirtschaft – 99 Prozent der Schweizer Firmen sind KMU und beschäftigen zwei Drittel der Arbeitnehmenden in der Schweiz.

Schweiz
Heimat.

Gleichstellung
Leider noch nicht selbstverständlich.

Globalisierung
Unumgänglich.

Traum
Habe ich einen? (überlegt lange) Frieden – und für mich persönlich Gesundheit.

Familie
Ausgleich und ruhender Pol.

Sport
Zu wenig Zeit. (lacht) Früher viel gerannt. Sehr gerne tanzen.

Bauhandwerk
Mein Herzblut.

Natur
Sehr wichtig. Nachhaltigkeit ist auch sehr wichtig.

Politik
Zu wenig sachorientiert. Ich selbst bin politisch nicht engagiert, wenn, dann eher liberal in der Mitte. Heute sind auch Umweltschutzthemen sehr wichtig.

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Karin Zahnd Cadoux

Präsidentin des Verwaltungsrats der WIR Bank Genossenschaft

Karin Zahnd Cadoux (46) ist Rechtsanwältin und Mitinhaberin sowie Mitglied der Geschäftsleitung der Nerinvest AG in Murten. Die verheiratete Mutter von zwei Kindern absolvierte ursprünglich eine Lehre als Landschaftsgärtnerin, bevor sie an der Universität Freiburg Rechtswissenschaften studierte und 2007 das Anwaltspatent erwarb. Die bilingue Bernerin ist seit 2014 Mitglied des Verwaltungsrats der WIR Bank Genossenschaft und wurde an der Generalversammlung vom 27. Mai 2019 zu deren Präsidentin gewählt (siehe auch Seite 8).

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