Nicht Gefahren, sondern Chancen in den Vordergrund
Digitalisierung ist in aller Munde – und muss auch KMU interessieren. Digitalexperte Aldo Gnocchi erklärt, weshalb die neue Initiative «KMU – und du?» der WIR Bank Ideen, Innovationen und einen echten Mehrwert liefert.
Am 11. August startet die Roadshow «KMU – und du?» in Luzern ihre Tour durch insgesamt neun Schweizer Städte. Die Aufforderung in der Einladung: «Mach dein KMU fit für die digitale Zukunft!» Was erwartet die Teilnehmenden konkret?
Sie treffen vor Ort auf Experten aus der Praxis, auf Experten mit effektiver KMU-Erfahrung. Nicht irgendwelche Strategen aus Grossunternehmen, die Millionenbeträge für Massnahmen im Bereich Digitalisierung umsetzen können – nein, vielmehr Praktiker, die etwas mit der Digitalisierung zu tun haben. Sie zeigen Wege auf, wie KMU – egal, welcher Grösse – die Chancen der Digitalisierung nutzen können.
Die Rede ist von Aufklärung und Inspiration. Ist das denn so bitter nötig?
Nein, so würde ich es nicht bezeichnen. Wir befinden uns vielmehr in einer Phase, in der die Realität diejenigen KMU einholt, die beispielsweise noch immer der Meinung sind, dass eine statische Webseite genüge – verkauft wird ja über die Vertriebseinheit und persönliche Beziehungen.
Was nicht falsch ist …
… aber nur ein Teil der Wahrheit. Heute informiert sich der Kunde über Google, er will einfache Wege der Kommunikation nutzen. Da sind neue Angebote gefragt. Natürlich gibt es Branchen, die das heute noch nicht nötig haben. Aber meines Erachtens ist es nur eine Frage der Zeit, bis das Thema Digitalisierung alle eingeholt hat. Heute ist der richtige Moment dafür, seine Strategie darauf auszurichten. Noch schmerzt es nicht.
Bei etlichen KMU schmerzt es sehr wohl, sie haben gerade durch die Digitalisierung den Kampf gegen Grosskonzerne verloren.
Das stimmt. Aber ich mache bei der Analyse noch einen Schritt zurück. Viele KMU haben sich spezialisiert, ihre Nische gefunden. Und aufgrund dieser hochgradigen Spezialisierung ist es ihnen gelungen, Abhängigkeiten zu schaffen. Das hilft kurzfristig, um einen Wettbewerbsvorteil aufrechtzuerhalten, aber langfristig wird das schwer. Beispiel: Ein hochgradig spezialisiertes Unternehmen, das ein spezielles Bauteil herstellt, wird von einem 3-D-Drucker verdrängt. Dieser produziert das gleiche Teil – ortsunabhängig und wesentlich günstiger.
Was soll uns das Beispiel verdeutlichen?
Dass man sich dieser möglichen Veränderungen bewusst sein soll – und Gegensteuer gibt. Genau dieses Bewusstsein zu vermitteln, ist Ziel der Initiative «KMU – und du?».
Heisst im Umkehrschluss: Heute ist dieses Bewusstsein noch nicht vorhanden?
Zumindest nicht genügend. Natürlich wird in Verwaltungsräten über Digitalisierung diskutiert. Aber es geht uns primär darum, nicht die Gefahren, sondern die Chancen in den Vordergrund zu rücken. Nicht reagieren, sondern agieren.
Weshalb scheitert dies heute vielerorts?
Es ist in erster Linie eine Generationenfrage. Immer mehr KMU-Geschäftsführer sind mit der Digitalisierung gross geworden – für sie ist das deshalb nicht Thema, sondern Selbstverständlichkeit. Sie suchen konsequent nach schnellen und unkomplizierten Wegen, sie wollen kein Antragsformular auf Papier ausfüllen, sondern online – am liebsten sogar mobil unterwegs. Die ältere Generation hat vielfach noch Berührungsängste mit Computern, der Nutzung von Smartphones, aber auch Angst beim Thema Datenschutz.
Ist das nicht etwas plakativ?
Ich denke nicht. Es sind wirklich in erster Linie psychologische Barrieren, die überwunden werden müssen. Dadurch fehlt das «Big Picture», die Vision – und entsprechend sehen sie die Vorteile einer Digitalisierung auch nicht.
Das Wort «Angst» ist stark.
Ja, und es kommt noch eine weitere Form der Angst hinzu: jene, Macht zu verlieren, die eigene Berechtigung im eigenen Unternehmen. Das führt eher zur Blockade denn in einen Veränderungsprozess. Es ist naturgemäss anstrengend, aus gewohnten Mustern auszubrechen. Aber es ist auch Fakt, dass Roboter mittel- bis langfristig ganz viele Aufgaben erledigen können.
Auch diejenige eines Digitalexperten und Content-Marketing-Spezialisten.
Absolut. Meine Aufgabe wird dereinst vielleicht durch eine App ersetzt.
Keine Angst?
Nein. Weil man sich gerade vor dem Hintergrund der Digitalisierung stets neu ausrichten muss. Was nicht ersetzt werden kann, sind beispielsweise Erfahrungswerte. Unsere Vernetzung des Hirns, das vernetzte Denken.
Google ist da anderer Meinung.
Zugegeben: In Zürich wird zwar das Thema «Künstliche Intelligenz» vorangetrieben. Aber selbst bei Google gibt man nach wie vor zu, dass selbst ein Kleinkind schneller begreifen könne als der beste Superrechner der Welt. Der Mensch kann Muster viel schneller erkennen und umsetzen. Darauf müssen wir uns spezialisieren und erkennen, wo die grösste Wertschöpfung möglich ist.
Also doch beim persönlichen Kontakt – wie an der Roadshow?
Den Beziehungsaufbau, wie er zwischen Menschen stattfindet, wird ein Roboter nie ersetzen können. Ja, genau deshalb ist die Roadshow, die Interaktion vor Ort, sinnvoll. So kann das Gefühl für eine Organisation, für Menschen entwickelt werden – es entsteht Vertrauen. Ein Gut, das sich weder digitalisieren noch wegrationalisieren lässt. Das lässt sich nicht durch «Virtual Reality» ersetzen.
Das tönt ja fast schon versöhnlich – nicht zuletzt für alle die, die nach wie vor Angst vor der Digitalisierung haben. Gibt es an dieser Stelle nicht noch einen Tipp obendrauf?
Wichtig ist, das man sich eine Strategie zurechtlegt. Und diese dann in kleinen Schritten umsetzt. Nicht das Gefühl haben, die eigene Industrie werde durch disruptive Innovation komplett auf den Kopf gestellt.
Wie sollte die Fragestellung lauten?
Wie können wir als KMU schnell, aber auch überlegt und in eine dezidierte Richtung handeln? Welche Massnahmen in der Digitalisierung können wir mit heutigen Ressourcen, dem vorhandenen Know-how und unseren Kernkompetenzen in einen Mehr- wert ummünzen?
Und nach der Beantwortung den ersten Schritt auch wagen?
Genau. Und kontinuierlich in kleinen Schritten weitergehen. Nicht zu viel vornehmen. Lieber nur etwas, dieses dafür gut tun. Und darauf aufbauen.
Das Stichwort Strategie ist gefallen: Gerade vor dem Hintergrund der Digitalisierung ist diese doch rasch wieder überholt. Oder mit anderen Worten: Das zunehmende Tempo der Veränderungen kann auch Angst erzeugen.
Das ist so. Gerade deshalb ist es wichtig, das vorhin ebenfalls angesprochene «Big Picture» zu kennen. Die Vision. Wohin will ich?
Böse Zungen behaupten: Ist eine Strategie formuliert, ist sie bereits veraltet.
Das mag in Grosskonzernen stimmen, wo sich eine Strategie über Jahre hinweg entwickelt. Wer aber wie KMU dank kurzer Wege «Big Picture» und Massnahmen vergleichsweise schnell entwickeln kann, läuft weniger Gefahr, dass seine Pläne laufend überholt werden. Aber: Diese Ziele und Leitplanken sind auch dort wichtig.
Auch die WIR Bank ist ein KMU und sieht sich der Digitalisierung gegenüber. Wie nehmen Sie deren Entwicklung in diesem Bereich wahr?
Die WIR Bank hat dieses «Big Picture» definiert und entwickelt sich nun vorbildlich Schritt für Schritt weiter. Die Initiative «KMU – und du?», die Roadshow sowie der im Juni lancierte Blog mit ausgewiesenen Experten ist ein grosser Schritt in Richtung Content Marketing.
Was verbirgt sich hinter diesem Modewort?
Eine Kommunikation zu betreiben, die Menschen nicht nervt. Man kann es Content Marketing nennen, man kann es Inbound Marketing nennen – oder man kann es einfach «relevante Inhalte zur Verfügung stellen» nennen. Inhalte, mit denen man informiert, berät oder unterhält, um einen konkreten Mehrwert für seine Zielgruppe – im Falle der WIR Bank: die KMU – zu erreichen. Um auf die vorherige Frage zurückzukommen: Dieses Engagement der WIR Bank hat für mich Vorbildcharakter.
«Nicht reagieren, sondern agieren»
Aldo Gnocchi, M.A. HSG, zählt zu den Schweizer Early Adopters und Experten in den Bereichen Social Media und Content Marketing – und ist im Rahmen der Roadshow «KMU – und du?» als Referent mit an Bord.
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