Hotel Bären: Mehr als ein Appenzeller Huus
In Gonten (AI) entsteht hinter dem historischen Hotel Bären ein neues Quartier mit Hotelneubau, Alterswohnungen und «Unternehmerwohnungen». Als Haupt-Finanzierungspartnerin wählte Bauherr Jan Schoch die Bank WIR.
Wer mit der Bahn nach Gonten unterwegs ist und sich von der idyllischen Landschaft ablenken lässt, riskiert, das 1450-Seelen-Örtchen zu verpassen. Denn es gilt «Halt auf Verlangen». Jedoch nicht mehr lange, wenn es nach Jan Schoch geht. Sein Projekt Appenzeller Huus soll Gonten von einem Durchgangsdorf zu einer Oase des Verweilens machen. Dies, ohne den Charakter der langgezogenen Siedlung zu verfälschen. Die fünf neuen Gebäude in traditioneller Strickbauweise – eine Erweiterung des historischen Hotels Bären um einen Hotelneubau und vier Häuser mit Wohnungen – sind alle individuell gestaltet und haben ihren eigenen Charakter. Ihre Ausrichtung und Höhenentwicklung orientieren sich an den prägenden Gebäuden des Ortes, insbesondere an der nahen Kirche, deren Firsthöhe nicht überschritten wird. Geht es nach Schoch, wird das erneuerte Dorfzentrum zu einer Entschleunigung im Ort führen, die den Kern des Projekts Appenzeller Huus trifft: eine Entwicklung der Sinne und Seele, eine Wohltat für Körper und Geist.
Sie sind in der Welt der Derivate und Fintechs zu Hause und haben sich einen Namen durch die Gründung von Leonteq gemacht. Wie kam es zum Kauf des «Bären» in Gonten?
Jan Schoch: Schon vor dem Verkauf des Derivaten-Fintech Leonteq 2017 war ich mit der Valastone AG im Immobilienbusiness tätig. Dadurch bin ich übrigens erstmals mit dem WIR-System in Kontakt gekommen. 2014 habe ich von der baldigen Schliessung des «Bären» gehört und habe meine Eltern, die dort vor knapp 45 Jahren geheiratet haben, zu einer Art Abschiedsessen eingeladen. Die engagiert arbeitenden Angestellten des «Bären» taten mir ebenso leid wie der Umstand, dass auch das mit ziemlich genau 420 Jahren älteste Gebäude im Dorf – älter als die Kirche – vor einer ungewissen Zukunft stand. Alle Einwohner Gontens verbinden mit diesem Gasthaus irgendeine persönliche Geschichte. Ich fand es wichtig, den Betrieb aufrechtzuerhalten und kaufte den Erben von Ex-CS-Präsident Hans-Ulrich Dörig den «Bären» ab, mit dem Ziel, ihn zu neuem Leben zu erwecken.
Gibt es Anknüpfungspunkte zwischen Fintech und Hotellerie?
Beide Branchen sind stark in der Digitalisierung. Allerdings musste ich feststellen, dass in der Hotellerie die verschiedenen Anbieter nicht gut oder gar nicht zusammenarbeiten. So mussten wir etwas nachhelfen, damit diverse Schnittstellen geöffnet werden konnten. Ein Unterschied besteht darin, dass in der Fintech-Branche die abstrakten und hochtechnischen Prozesse klar dominieren, während im Gastgewerbe wesentlich mehr Herzblut investiert werden muss. Zu rund 50% bin ich immer noch mit der angestammten Branche verbunden: Vor einigen Jahren habe ich Anova gegründet, ein Fintech, das gerade eine enorme Entwicklung durchmacht. Während Leonteq Technologien für die Herstellung von Anlageprodukten entwickelt, nimmt Anova die Anlegerperspektive ein und bewertet solche Produkte.
Hotel Bären
In welchem Zustand haben Sie den «Bären» angetroffen?
Während das Restaurant im ersten Stock funktionierte, war das Erdgeschoss eine richtige Rumpelkammer, die 120 Mulden füllte. In enger Absprache mit dem Denkmalschutz haben wir 2015 Balken und Böden freigelegt und das Haus in den ursprünglichen Zustand zurückgeführt. Im Keller befinden sich nun der Weinkeller mit zwei Hotelzimmern, in den Stöcken über dem Restaurant sind die Hotelzimmer und im 5. Stock der Wellnessbereich untergebracht. Auch die Hotelzimmer im Anbau aus den 60er-Jahren sind im Romantik-Stil umgebaut worden.
Den Umbau des «Bären» haben Sie mit eigenen Mitteln finanziert. Mittlerweile hat das Projekt eine neue Dimension angenommen …
Gegenüber dem «Bären» steht der «Löwen», ebenfalls ein denkmalgeschützter Bau. Ich hatte die Absicht, dort Räumlichkeiten für meine Büros zu mieten, aber der Besitzer wollte verkaufen. Ich griff Anfang 2021 zu und entwickelte die Vision eines neuen Dorfteils, der den «Bären», den «Löwen», einen Hotelneubau, drei Gebäude mit Appartements bzw. Unternehmerwohnungen und ein Gebäude mit Alterswohnungen umfasst. Gegenwärtig wird der «Löwen» umgebaut, ein Anbau zurück- und neu aufgebaut. 2023 werden 24 Zimmer und ein Eventraum für Hochzeiten, Konzerte und Lesungen zur Verfügung stehen. Der Hotelneubau und die Wohnungen werden auf einer Matte hinter dem «Bären» zu stehen kommen und sollten Mitte oder Herbst 2024 bezugsbereit sein. Das ganze Projekt läuft unter dem Namen Appenzeller Huus.
Wie hat die Dorfbevölkerung auf das Projekt Appenzeller Huus reagiert?
Die Erweiterung des Hotels Bären bedurfte eines neuen Quartierplans und Richtprojekts. Dieses war das Resultat eines Wettbewerbs, an dem vier Architekturbüros beteiligt waren und aus dem die Rüssli Architekten AG aus Luzern siegreich hervorging. Die Reaktion der Gontener war sehr positiv. Während der Umbauphase des «Bären» wurde den Einwohnern bewusst, was es bedeuten würde, wenn das Gasthaus während Jahren verlassen geblieben wäre. Jetzt haben sie nicht nur den «Bären» zurückbekommen: Das Projekt Appenzeller Huus nimmt Rücksicht auf den Charakter des Dorfs und gibt ihm ein neues, allen zugängliches Zentrum – den «Dorfplatz» – zwischen dem «Bären» und dem Roothuus. Das Roothuus beherbergt das Zentrum für Appenzeller und Toggenburger Volksmusik, die von Landammann Roland Inauen präsidiert wird.
Das Projekt wird hauptsächlich von der Bank WIR finanziert. Wie kam es dazu?
Das hat zwei Gründe. Zum einen wurde mir die Bank WIR von der Avobis Group AG empfohlen, eine unabhängige Dienstleisterin in Sachen Immobilien und Hypotheken. Damit war die Bank WIR aber erst eine Kandidatin unter vielen, denn es lagen auch Finanzierungsangebote von praktisch jeder infrage kommenden Bank zwischen Zürich und Appenzell auf dem Tisch. Den Ausschlag für die Bank WIR gab die Expertise der Bank im Bereich Hotelfinanzierung und -bewertung, denn nicht nur die Finanzierung, auch die Begleitung eines sich entwickelnden Projekts durch die Bank ist wichtig. Für mich sehr wertvoll ist insbesondere die Zusammenarbeit mit Christoph Känel. Er ist jemand, der die Branche versteht und mir die kompetente, konstruktive, partnerschaftliche und längerfristige Begleitung bietet, die ich mir vorgestellt habe. Das machte den Unterschied. Ginge es einfach darum, das Hotel durch eine einmalige Überweisung zu finanzieren, wären andere Angebote interessanter gewesen.
«Nicht nur die Finanzierung, auch die Begleitung eines Projekts durch die Bank ist wichtig.»
Wie wird der Komplex mit «Bären», «Löwen», Hotelneubau und Wohnungen positioniert sein?
Das Boutique Hotel Bären beherbergt bereits heute Geniesser, Romantiker und Golfer – der 18-Loch-Golfplatz ist nur Minuten vom Hotel Bären entfernt. Der «Löwen» ist für Familien und Sportbegeisterte gedacht. Im Sommer ist die Gegend für Biker und Wanderer ideal, ausserdem hat es einen Seilpark, einen Barfussweg, eine Rodelbahn, und im fünf Minuten entfernten Appenzell Tennisplätze. Im Winter ist Schneewandern, Langlaufen und Skifahren angesagt; in der Region sind 12 Skilifte in Betrieb. Ausserdem liegt Gonten am Jakobsweg, was übrigens das Wappen Gontens mit den beiden Pilgerstäben erklärt. Der Hotelneubau bzw. die Hotelerweiterung ist unterirdisch mit dem «Bären» verbunden und mit den 32 Zimmern und Suiten auf Gäste im Wellness- und Spa-Bereich ausgelegt. Pool und Sauna befinden sich im Dachgeschoss mit toller Aussicht in die Berge. Die Wohnungen sind auf vier Häuser verteilt. In einem Haus werden 20 Alterswohnungen im Angebot stehen, 23 weitere Wohnungen für Unternehmer sind auf drei separate Häuser verteilt.
Was ist unter diesen Unternehmerwohnungen genau zu verstehen?
Sie sind für Unternehmer gedacht, die viel unterwegs sind und nur Teilzeit – und mit Service! – fest an einem Ort wohnen wollen. In der übrigen Zeit können ihre Wohnungen als Hotelzimmer vermietet werden. Die grösseren Wohnungen à 150 Quadratmeter sind so konzipiert, dass aus ihnen drei Hotelzimmer gemacht werden können. Die Einnahmen werden zwischen Hotel und Wohnungsbesitzer geteilt. Teilzeitwohnen für Unternehmer ist ein innovativer Ansatz, der meiner Erfahrung nach einem Bedürfnis entspricht. Nicht zu vergessen ist dabei, dass der Kanton Appenzell Innerrhoden aus steuerlicher Sicht für Unternehmer sehr interessant ist.
«Teilzeitwohnen für Unternehmer ist ein innovativer Ansatz.»
Hotelgäste, Pensionierte und Unternehmer – Sie fürchten keine Konflikte zwischen den Bewohnern der einzelnen Häuser?
Im Gegenteil. Der Aufenthalt wird für alle Beteiligten nicht eintönig sein. Die verschiedenen Gruppen leben zwar separat, können aber auch problemlos zusammenkommen, z. B. im für alle zugänglichen Spa oder im Eventraum. Ich rechne damit, dass so etwas wie eine eigene Subkultur entstehen wird. Daneben ist natürlich diese Vielfalt der Angebote ein Pluspunkt für den Verkauf.
In der Hospitality-Branche ist das Personal mit 40% vom Umsatz der grösste Kostenfaktor. Haben Sie bezüglich Lohnhöhe Vorteile gegenüber der Konkurrenz, und wo nehmen Sie angesichts des Fachkräftemangels das Personal her?
Gegenwärtig beschäftigen wir 30 Angestellte, in rund zwei Jahren rechne ich mit einer Verdoppelung. Ich bin überzeugt, dass ein aussergewöhnliches Projekt wie das Appenzeller Huus grosses Interesse in der Branche hervorruft und wir wesentlich mehr Bewerbungen erhalten werden, als Stellen zu vergeben sind. Das Hotel Bären ist jetzt schon der grösste Arbeitgeber in Gonten, das dürfte sich in Zukunft noch akzentuieren. Was das Lohnniveau anbelangt, würde ich behaupten, dass wir überdurchschnittliche Löhne bezahlen. Wir wollen gute Leute, die gerne für uns arbeiten.
Bereitet Ihnen die Verteuerung der Rohstoffe Sorgen?
Es gelten neue Spielregeln. Es gibt keinen Spielraum mehr bei Lieferfristen, keine Preis- und keine Fertigstellungsgarantien. Man könnte warten, bis sich die Situation normalisiert hat – doch wer weiss, ob nicht alles noch schlimmer wird. Etwas abgefedert werden die Preiserhöhungen dadurch, dass wir auf Appenzeller Holz setzen. Hier ist die Preisstabilität grösser. Vorteilhaft ist weiter, dass Produzenten z. B. das Baltikum verlassen und wieder in die Schweiz zurückkehren. Um den angepeilten Standard bei den Trocknungs- und Sägeprozessen sicher erfüllen zu können, habe ich trotzdem in einen entsprechenden Maschinenpark investiert und eine Firma für Holzverarbeitung gegründet – eine relativ hohe Kapitalinvestition, die sich für das Gesamtprojekt aber rechnet.
Auch Hermann Blumer dürfte ein Garant für die fachgerechte Verwendung der Holzkonstruktionen sein …
Es ist uns gelungen, mit Hermann Blumer einen Appenzeller und Pionier im Holzbau für das Projekt zu gewinnen. Blumer hat für Grössen wie Zumthor, Libeskind, Herzog & de Meuron oder Shigeru Ban gearbeitet und handelt nach dem Grundsatz «Es gibt nichts, was man nicht mit Holz bauen könnte».
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Kann WIR nur empfehlen, im Gegensatz zur CS, jetzt Ex CS.