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Hospitality im Wandel

20 min.
Flury

von Daniel Flury

22 Beiträge

Die Bank WIR ist vor Kurzem Genossenschafterin der Schweizerischen Gesellschaft für Hotelkredit geworden und eine Partnerschaft mit dem Branchenverband HotellerieSuisse eingegangen. Claude Meier, Direktor von HotellerieSuisse, haben wir in Bern zum Interview getroffen.

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Claude Meier.

Wo haben Sie Ihre letzten Ferien verbracht?
Ich hatte das Bedürfnis nach fünf Tagen Sonne und wurde in Südspanien fündig. Mein Buchungsverhalten war übrigens typisch für die gegenwärtige Zeit: spontan und kurzfristig. Es ist spannend zu beobachten, wie der Tourismus ausserhalb der Schweiz funktioniert. Generell kann ich sagen, dass der Tourismus nach durchgestandener Pandemie wieder eine Wachstumsbranche ist. Der Mensch nutzt seine Mobilität und hat das Bedürfnis, sich zu erholen und Neues zu erkunden.

Sind Sie in der Schweiz auch inkognito und «detektivisch» unterwegs?
Das ist nicht nötig. Wer bei HotellerieSuisse Mitglied ist, gehört per se zu den innovativen und nachhaltigen Betrieben, die nichts zu verstecken haben. Inkognito unterwegs zu sein wäre im Übrigen kontraproduktiv. Die Hoteliers schätzen es, wenn sie ihre Anliegen bei mir deponieren können. Und für mich ist es wichtig, auf Tuchfühlung zu gehen, die Realität an der Front zu erfahren und die Erkenntnisse im Verband produktiv einbringen zu können.

HotellerieSuisse und die Bank WIR sind vor Kurzem eine Partnerschaft eingegangen. Welche Bedeutung hat diese Partnerschaft für Sie?
Eine extrem wichtige. Die Bank WIR ist einerseits sehr relevant im KMU-Markt, andererseits benötigen wir tragfähige Partnerschaften im Investitionssektor. Vergessen Sie nicht: Die Bedürfnisse der Gäste, Geschmack und Ästhetik wandeln sich alle acht bis zehn Jahre. Die Ausstattung von Hotels und ihren Zimmern muss entsprechend angepasst werden, was mit beträchtlichen Investitionen verbunden ist. Eine gute Zusammenarbeit mit Finanzinstituten ist essenziell.

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«Eine gute Zusammen­arbeit mit Finanzinstituten ist essenziell»

Wie sind Ihre Mitglieder auf diesen Investitions­bedarf vorbereitet, gerade auch im Angesicht steigender Zinsen?
Die Pandemie war für unsere Branche einschneidend und wird noch lange spürbar sein: Es sind Covid-19-Kredite geflossen, die ab Zeitpunkt der Gewährung innerhalb von acht Jahren zurückbezahlt werden müssen. Um Investitionen tätigen zu können, muss man langfristig denken und ein Polster anlegen können. Darin unterscheidet sich die Beherbergungsbranche nicht von anderen KMU. Was bei uns erschwerend dazu kommt, sind die relativ tiefen Margen, was den Aufbau von Substanz nicht einfacher macht. Hinzu kommt die absolute Notwendigkeit, mit den rasanten Veränderungen in der globalen Welt – ich erwähne nur Mobilität, Digitalisierung und Energieversorgung – Schritt zu halten.Ich kann mit Stolz behaupten, dass unsere Mitglieder erfolgreich sind: Obwohl der Gesamtmarkt schrumpft, stellen wir keinen Mitgliederschwund fest – ganz im Gegenteil: Unser Verband wächst, was zeigt, dass die innovativen und nachhaltigen Betriebe blühen und sich behaupten können.

Das Parlament will, dass die Schweizerische Gesellschaft für Hotelkredit SGH künftig auch Investitionsvorhaben von Hotels ausserhalb der Tourismus­gebiete mit nachrangigen Darlehen unterstützen kann. Wieso ist das keine Selbstverständlichkeit?
Das ist historisch zu verstehen. Der alpine Tourismus war ein Brennpunkt, den man fördern wollte. Während der Pandemie ist vor allem in den Städten der Geschäftstourismus zum Erliegen gekommen. Der Druck, den Perimeter der SGH auszudehnen, wurde grösser und HotellerieSuisse hat sich dafür mit Erfolg stark gemacht.

Es wird oft moniert, dass die Beherbergungs­branche keine Vertreter im Parlament hat. Sehen Sie Handlungsbedarf?
KMU haben kaum Ressourcen, um neben dem Tagesgeschäft noch politisch oder branchenpolitisch tätig zu sein. Dabei wäre es wichtig, die unternehmerische Sicht in die Gestaltung der Politik einzubringen, um für KMU günstige Rahmenbedingungen zu schaffen. Wir sensibilisieren unsere Mitglieder für diese Problematik und motivieren und unterstützen sie natürlich – auch auf Gemeinde- und Kantonsebene. HotellerieSuisse selbst hat einen engen Bezug zu den Parlamenten und Behörden. Der Austausch mit politischen Entscheidungsträgern gehört zu unserem daily business. Unsere Bedürfnisse beispielsweise in Sachen Arbeitsmarkt oder Tourismuspolitik diskutieren wir nicht nur mit den 60 Mitgliedern der parlamentarischen Gruppe für Tourismus in Bern, sondern mit allen Politikern auf allen Ebenen und von links bis rechts.

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HotellerieSuisse repräsentiert rund 3000 Mitglieder aus Beherbergungsbetrieben und Restaurants. Überwiegen die Differenzen oder die Gemeinsamkeiten?
In der Gesellschaft ist man sich der Vielfalt der Betriebe in unserem Land zu wenig bewusst: Es gibt Ein-Stern- bis Fünf-Sterne-Hotels, historische Bauten und Schlösser, Jugendherbergen, die modernsten Häuser, die man sich vorstellen kann, und dies alles sowohl in der Stadt wie auf dem Land. Ich empfinde das als enorme Bereicherung, als einen Schatz, den es zu bewahren gilt. Der gemeinsame Nenner, den alle verbindet und fordert, ist die Frage, wie wir damit in zehn oder zwanzig Jahren umgehen. Wie meistern wir den demografischen Wandel, wie gewinnen wir die Fachkräfte, sehen wir die Digitalisierung als Chance, können wir dem Bedürfnis nach Nachhaltigkeit nachkommen?

HotellerieSuisse betreibt drei Schulhotels mit 800 Lernenden und gehört zur Trägerschaft der Hotelfachschule Thun und der Ecole Hôtelière de Lausanne. Allein dort werden nochmals gegen 4000 Fachkräfte ausgebildet. Trotzdem leidet auch die Beherbergungsbranche unter einem Fachkräftemangel. Wie ist das zu erklären und wie können Sie dem entgegenwirken?
Es gibt keine Patentrezepte. Der bereits angesprochene demografische Wandel beinhaltet, dass immer weniger Menschen im Erwerbs- und immer mehr im Pensionsalter stehen. Jede Branche muss sich fragen, wie der abnehmende Produktionsfaktor Arbeit aufgefangen werden kann. Für uns als personalintensive Branche sind gute Antworten enorm wichtig. Zentral ist nach meinem Dafürhalten das Mindset des Arbeitgebers, die Unternehmenskultur, die Wertschätzung der Mitarbeitenden, das Überwinden der Top-down-Patronkultur. Speziell die jüngeren Arbeitnehmer Verlangen nach Partizipation und wollen Verantwortung übernehmen. Das Schulungs- und Auszeichnungssystem «TOP-Ausbildungsbetrieb», das 2020 auch im Gastgewerbe national ausgerollt wurde, unterstützt Betriebe darin, die Ausbildungsqualität zu verbessern. Die Resonanz zeigt, dass wir damit auf dem richtigen Weg sind. Ebenfalls wichtig sind Fringe Benefits. Auch diesbezüglich laufen diverse Projekte.

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«Zentral ist das Überwinden der Top-down-Patronkultur»

Die Grundvoraussetzungen sind ja gegeben: Die Branche ist attraktiv für Junge und für Quereinsteiger, hat internationales Flair, man hat mit Menschen zu tun und kann ihnen zu Wohlfühlerlebnissen verhelfen, die Karrieremöglichkeiten sind beachtlich – wo sonst kann mit 30 Jahren einen Direktionsposten übernehmen? – und 50  Prozent der Betriebe sind Ausbildungsbetriebe und haben es somit in der Hand, die Mitarbeitenden selbst auszubilden und weiterzuentwickeln.

Besteht nicht noch mehr Handlungsbedarf? Gemäss Lernendenbarometer 2022 wollen fast die Hälfte aller Lernenden in den Hotel- und Gastroberufen nach der Lehre nicht in der Branche bleiben.
Wir geben Gegensteuer! In der Schweiz entsteht eine weltweit einzigartige Bildungsgruppe mit 5000 Studierenden und mit HotellerieSuisse als Trägerverband. In die Gruppe integriert werden neben unseren drei Schulhotels in Pontresina, Interlaken und Martigny die Hotelfachschule Thun und die Ecole Hôtelière de Lausanne EHL mit ihren Standorten Lausanne, Passugg und Singapur. Ziel ist es, unter einem Dach – der EHL Group – die gesamte Ausbildungspalette anzubieten, also z. B. von der Kochlehre bis zum Bachelor. Dies ist eine Investition in den Bildungsmarkt, die ihresgleichen sucht.

Wettbewerbsfähig bleibt, wer mit neuen Ideen aufwarten kann. In der Schweiz sind die Mehrheit der Hotels Aktiengesellschaften mit einem einzigen Verwaltungsrat, in der Regel gleichzeitig der Geschäftsleiter. Sind mehrere Personen im Verwaltungsrat, sind es oft Familienmitglieder. Sind das gute Voraussetzungen für Aufsicht und frischen Wind?
Die Schweiz ist ein KMU-Land und bietet Menschen mit Unternehmergeist gute Voraussetzungen. Oft handelt es sich um Individualbetriebe, die vom Inhaber operativ geführt werden. Ich bin der Meinung, dass man nicht alles selbst können und wissen muss, dass aber gerade deshalb ein Sparringpartner, ein Coach oder Berater mit Aussenblick und ergänzenden Kompetenzen, sehr wichtig ist. Neue Ideen braucht es in einem sich rasant wandelnden Umfeld unbedingt. Seit zwei Jahren bietet HotellerieSuisse mit Unterstützung des SECO deshalb ein Coaching-Programm an. Zur Verfügung steht ein Pool von 150 Coaches und das Angebot, mit einem Coach während sechs Arbeitstagen eine themenspezifische Weiterentwicklung anzupacken. Über 200 Mitglieder haben davon schon Gebrauch gemacht. Wir sind bemüht, dass weitere Betriebe im Verlauf des Programms die Chance nutzen, um einen externen Blick auf den eigenen Betrieb zu erhalten.

Für Reisende wird Nachhaltigkeit immer mehr zu einem Auswahlkriterium. Eine Chance für die Schweiz?
Es genügt nicht mehr, lokale Produkte zu verwenden und Abfall zu vermeiden. Wir haben beobachtet, dass beispielsweise in Basel Grosskonzerne Hotels nicht mehr berücksichtigen, wenn sie nicht einen ganzen Katalog ökologischer, gesellschaftlicher und sozialer Anforderungen erfüllen. Da kann schon das Fehlen eines TOP-Ausbildungslabels dazu führen, dass ein Hotel leer ausgeht. Im «Sustainability Hotel» auf unserer Webseite geben wir den Betrieben Tipps, wo sie andocken können, um ihre Nachhaltigkeit zu verbessern.

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«Die traditionelle Saisonhotellerie wird sich massiv verändern»

Dieser Winter zeigt es einmal mehr: Die Schnee­sicherheit ist nicht mehr gegeben, der Wintertourismus ist gefährdet. Ist der Transformationsprozess vom Skigebiet zur Sommerdestination ein Thema?
Die traditionelle Saisonhotellerie wird sich massiv verändern. Viele werden ihre Businessmodelle anpassen und die Saisonalität aufgeben müssen. Vorteil für Arbeit­geber wie Arbeitnehmende: Es sind mehr unbefristete Verträge möglich. Eine Voraussetzung für diese Entwicklung ist, dass alle Player zusammenspannen. Es führt zu nichts, wenn die Bahn in Betrieb bleibt und das Hotel schliesst. Wer richtig antizipiert, neue Produkte und Erlebniswelten schaffen und sie finanzieren kann, hat gute Chancen!

Fotos: Foto Frutig

HotellerieSuisse

Als Schweizerischer Hotelier-Verein 1882 gegründet, vertritt HotellerieSuisse als Branchenverband die Interessen der innovativen und nachhaltigen Beherbergungsbetriebe der Schweiz. Die rund 3000 Mitglieder setzen sich zusammen aus 2000 Hotels, 600 Restaurants und 400 «Zugewandten». Die 2000 Hotels repräsentieren 40 % des Beherbergungsmarkts und 75 % der Logiernächte. Zu den Dienstleistungen des Verbands gehört unter anderem, die Qualität und das Know-how der Mitglieder zu fördern und sie in ihrer zukunftsorientierten Betriebsführung zu unterstützen. Als Trägerin der Hotelfachschule Thun, drei Schulhotels und der Ecole Hotelière de Lausanne EHL ist HotellerieSuisse auch massgebend in der Ausbildung von Fachkräften.

Direktor von HotellerieSuisse ist seit bald sieben Jahren der Luzerner Claude Meier (44). Der studierte Volkswirtschafter war zunächst in der politischen Kommunikation tätig und hatte danach Führungsfunktionen in Verbänden der Gesundheits- und der kaufmännischen Branche. Er ist Stiftungsrat der Ecole Hôtelière de Lausanne Group und ist Vorstandsmitglied des Schweizerischen Tourismus-Verbands STV. Zu seinen Hobbys zählt Meier das Reisen.

Finanzforum mit Beteiligung der Bank WIR

Hospitality Summit vom 14. und 15. Juni

Der von HotellerieSuisse initiierte Hospitality Summit findet dieses Jahr am 14. und 15. Juni in der Messe Zürich (Halle 550) statt. An die 1300 Hoteliers, Gastgeber und Fachleute treffen sich, um sich über touristische Herausforderungen und Themen wie Digitalisierung, Mobilität, Vermarktung oder Nachhaltigkeit auszutauschen. In der Netzwerkarena des Hospitality Summits besteht die Gelegenheit, sich auf 4500 m2 über branchenrelevante neue Trends und Technologien zu informieren.

Finanzforum

Im Rahmen des Hospitality Summits richtet die Schweizerische Gesellschaft für Hotelkredit SGH das Finanzforum aus. Am 14. Juni, von 14.00 bis 15.30 Uhr diskutiert ein Podium von fünf Fachleuten das Projekt Stoos Lodge. Die Lodge wurde im Dezember 2022 eröffnet und zeichnet sich unter anderem dadurch aus, dass die Abwärme der nahen Standseilbahn für Heizung und Warmwasser im Hotel genutzt wird. Einer der Podiumsteilnehmer ist Christoph Känel, Leiter der Fachstelle Hotellerie und Gastronomie der Bank WIR, die auch Patronatspartner des Finanzforums ist. Moderiert wird der Anlass von SGH-Direktor Peter Gloor.

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