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«Es ist ein gutes Gefühl, KMU zu helfen»

11 min.
PR und Corporate Communication der Bank WIR

von Volker «Vloggy» Strohm

22 Beiträge

Germann Wiggli prägte die WIR Bank – das Unternehmen prägte sein Leben. Ende Monat tritt er als CEO von der operativen Bühne ab und widmet sich künftig strategischen Themen.

Wir stehen hier am Rhein in Basel. Von hier aus gelangen auf dem Schiffs- und Landweg importierte Güter in die ganze Schweiz. Welches ist dein Bezug zur Stadt?

Germann Wiggli: Ich bin in Basel geboren und hier aufgewachsen. Hier hat ein Teil meiner Jugend stattgefunden. Zudem arbeite ich seit 26 Jahren hier.

Und zwar bei der WIR Bank – damit ist Ende Mai nun Schluss. Welche Gefühle gehen dir durch den Kopf?

Eigentlich nichts Spezielles. Ich stehe ständig unter Strom und mache mir keine grossen Gedanken, was danach sein wird. Bereits vor zwei Jahren habe ich dem Verwaltungsrat mitgeteilt, dass ich auf die kommende Generalversammlung vom 27. Mai zurücktreten will.

Das tönt sehr abgeklärt.

Ist es auch. Ich habe mich bereits länger auf den Punkt vorbereitet, an dem ich mich verändern und nicht mehr das operative Geschäft führen will. 26 Jahre bei der WIR Bank sind eine lange Zeit – zuerst als stellvertretender Leiter Kredite, danach Kreditchef und Mitglied der Direktion. Und 2006 wurde ich Vorsitzender der Geschäftsleitung oder CEO, wie es neudeutsch so schön heisst. Es ist sinnvoll, dass man nach 13 Jahren eine solche Aufgabe weitergibt. Alles ist bestens geplant und vorbereitet: Mein Nachfolger Bruno Stiegeler ist seit über fünf Jahren bei der Bank. Ich habe ihn ausgewählt und dem Verwaltungsrat seinerzeit vorgeschlagen. Summa summarum ergibt diese Nachfolgeregelung Sinn.

«Ich stehe ständig unter Strom und mache mir keine grossen Gedanken, was danach sein wird.»

26 Jahre bei der WIR Bank. Warum?

Es ist und war immer sehr spannend und die gefühlt «kurze» Zeit war von stetiger Weiterentwicklung geprägt – für das Unternehmen, aber auch für mich persönlich. Wer gute Mitarbeitende, gute Vorgesetzte hat, muss einen Arbeitgeber nicht zwingend laufend wechseln. Ich denke, es ist auch wieder etwas aus der Mode gekommen, sich alle drei Jahre komplett zu verändern. Es kann auch innerhalb einer Organisation durchaus bereichernd sein, neue Funktionen und Herausforderungen wahrzunehmen.

Das ist die rationale Antwort auf meine Frage. Wie lautet die emotionale?

Faszination. Bereits bevor ich zur damaligen Wirtschaftsring-Genossenschaft gewechselt hatte, begleitete mich die Komplementärwährung WIR immer wieder. Ich sah, welche Vorteile KMU daraus ziehen können. Eine inhaltlich extrem spannende Geschichte.

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Eine Geschichte, die auch nach fast 85 Jahren noch Bestand hat.

Ja. Kürzlich hat das Schweizer Fernsehen den Film vom «Wunder von Wörgl» ausgestrahlt – eine Tiroler Gemeinde rettet sich in den 1930er-Jahren durch die Einführung einer eigenen Währung vor dem Bankrott und baute die Arbeitslosigkeit innerhalb eines Jahres von 21 auf 16 Prozent ab. Es wurde rund um diese Ausstrahlung mit keiner Silbe erwähnt, dass es auch in der Schweiz eine Komplementärwährung gibt, die – im Gegensatz zum Beispiel zu Wörgl – nicht nach zwei Jahren bereits wieder eingestellt worden ist.

In dieser Antwort schwingt irgendwie auch Enttäuschung mit. Enttäuschung darüber, dass nicht alle das Thema WIR wirklich verstanden haben.

Das WIR-System ist für clevere Unternehmer, die darin eine Chance sehen. Es gibt natürlich auch andere, die damit nichts anzufangen wissen. Gerade im Medienbereich stelle ich fest, dass Unwahrheiten über Jahre hinweg kolportiert werden. Das tut weh. Ja, es enttäuscht.

Entsteht gerade in solchen Momenten auch das Gefühl von Ohnmacht?

Als Ohnmacht will ich es nicht bezeichnen. Es braucht aber schon eine starke Persönlichkeit und einen starken Charakter, dass man nicht plötzlich resigniert. Ich sehe es als Daueraufgabe, dass wir unseren Weg gehen und das WIR-System laufend weiterentwickeln und für die Zukunft fit machen.

«Es braucht einen starken Charakter, dass man nicht plötzlich resigniert.»

Kritik gab es nicht nur in den Medien, sondern auch ganz direkt aus Unternehmerkreisen. Wie geht man damit um, wenn sie unsachlich oder gar ungerechtfertigt ist?

Es ist doch ganz einfach: Wer die Komplementärwährung akzeptiert, muss diese natürlich auch wieder in den Kreislauf bringen. Das ist ja Sinn der Sache, das Geld innerhalb des Netzwerks im Umlauf zu behalten. Natürlich gibt es in einem solchen System immer auch Unternehmer, die nur an sich denken und nicht an das gesamte Gefüge. Das geht nicht. Der Nutzen von WIR soll für alle da sein. Er soll motivieren und andere anstecken, auch Teil des Netzwerks zu werden.

Du hast erwähnt, dass WIR für die Zukunft fit gemacht wird. Braucht es WIR heute überhaupt noch?

Lass mich kurz ausholen: Wir dürfen uns heute nicht an einem WIR-Umsatz von vor 20 oder 30 Jahren messen. Das hat verschiedene Gründe: Der Höchststand bei 2,5 Milliarden Franken in einem Jahr resultierte in einer Phase von sehr hohen Zinsen und einem Immobilienboom respektive einer Überhitzung. Aktuell haben wir durch die Zinspolitik der Schweizerischen Nationalbank (SNB) Negativzinsen, folglich ist das WIR-System in der Vergabe günstiger Kredite per se nicht mehr so gefragt. Und Kreditvergabe heisst eben auch, die WIR-Geldmenge zu erweitern.

Ist der momentan eingebüsste Zinsvorteil der einzige Grund, dass sich das WIR-Geschäft nur schleppend entwickelt?

Nein. Den Unternehmen geht es sehr gut, insbesondere im Inland, speziell im Baubereich. Die Auftragsbücher sind voll, folglich zieht das Argument der zusätzlichen Aufträge dank des WIR-Netzwerks nicht oder nur sehr bedingt.

Ich springe zurück zur Frage: Braucht es WIR heute überhaupt noch?

Natürlich. WIR ist eine Selbsthilfeorganisation für kleine und mittlere Unternehmen in der Schweiz – und genau diese bekommen durch die Öffnung der Märkte teilweise grosse Probleme. Auch der Online-Handel bedroht das eine oder andere KMU. Mit WIR haben wir etwas, mit dem wir ganz bewusst sagen können: Kauft hierzulande und nicht immer nur bei von aus dem Ausland dominierten grossen Ladenketten ein. Wenn ich meine Schuhe, meine Kleider bei einem KMU erwerbe, leiste ich einen konkreten Beitrag zur Erhaltung von Arbeitsplätzen in der Schweiz. Die Gesellschaft muss sich mit dem aktuellen Trend auseinandersetzen und diesen vor allem ernst nehmen – wir stellen ein entsprechendes Zahlungsmittel zur Verfügung. Wenn wir mit WIR ein entsprechendes Gegengewicht zum ungesunden Teil der Globalisierung schaffen können, ist das schön. Sobald die Situation wirtschaftlich wieder etwas angespannter wird, rückt auch die Idee hinter WIR wieder vermehrt ins Rampenlicht – davon bin ich überzeugt.

Die WIR Bank verstärkt die Geschäftsleitung

Wie schon im vergangenen September angekündigt, kommt es auf 1. Juni 2019 zu einem Wechsel an der Spitze der WIR Bank gekommen: Bruno Stiegeler löst Germann Wiggli als Vorsitzenden der Geschäftsleitung ab. Gleichzeitig wird auf diesen Zeitpunkt hin die Geschäftsleitung nicht nur erneuert, sondern auch erweitert. Die Nachfolge von Stiegeler als Leiter des Bereichs Firmen- und Privatkunden tritt Matthias Pfeifer an. Der 38-Jährige wechselt von der UBS zur WIR Bank.

Zudem löst Mathias Thurneysen (33) als Finanzchef den in Pension gehenden Stephan Rosch ab. Rosch war 28 Jahre für die WIR Bank tätig, 26 Jahre davon als Leiter Finanzen. Ebenfalls auf den 1. Juni 2019 in die Geschäftsleitung gewählt wurden: Claudio Gisler (47) als Leiter Marketing und Produkte, Peter Ingold (50) als Leiter Personal und Unternehmensentwicklung und Elie Shavit (55) als Leiter Risikomanagement und Compliance. Komplettiert wird das oberste operative Gremium der Genossenschaftsbank durch die bisherigen GL-Mitglieder Patrick Treier (Leiter Kreditmanagement) und Andreas Wegenstein (Leiter Service Center).

zur Medienmitteilung

Wenn du das Rad der Zeit zurückdrehen könntest: Was würdest du aus heutiger Optik anders machen?

Nichts.

Wirklich?

Nein. Ich blicke auf eine sehr tolle und spannende Zeit zurück.

Was bleibt besonders positiv haften?

Da gibt es viele Dinge. Zum Beispiel die Diversifikation der WIR Bank, die bereits um die Jahrtausendwende mit dem Einstieg ins Schweizer-Franken-Geschäft eingeläutet worden ist. Fakt ist: Man kann ein Unternehmen nicht in drei, vier Jahren komplett umkrempeln – dahinter steckt stets eine Transformation, die stattfinden muss. Durch diese Öffnung sind wir heute deutlich weniger konjunkturell abhängig, als es das reine WIR-Geschäft ist. Nun kann auch die SNB-Politik uns nur noch bedingt in die Suppe spucken.

Gibt es einen besonderen persönlichen Höhepunkt in deiner WIR-Karriere?

Ich kann das nicht auf einen Höhepunkt beschränken. Die schönsten Momente sind immer die, in denen wir KMU helfen können. Denken wir an die Phase Ende 1980er-, Anfang 1990er-Jahre zurück, als das Zinsniveau bei rund acht Prozent lag und Grossbanken wie auch Kantonalbanken im Zuge der Immobilienkrise reihenweise Kreditverhältnisse kündigten. Dieses Szenario wiederholte sich auch um die Jahrtausendwende wieder. Damals sind etliche Unternehmen zur WIR Bank gekommen – und dank dem eingeschlagenen Weg der Diversifikation konnten wir diese auch unterstützen. Unternehmen und damit auch Arbeitsplätze zu retten, gehört zu den schönsten Gefühlen überhaupt.

Du hast vorhin das Stichwort Transformation erwähnt. Dabei denkt man automatisch auch an Digitalisierung.

Ja. Die WIR Bank ist zu Beginn dieses Jahrtausends punkto Technologien lange Zeit hinterhergehinkt. Mittlerweile sind wir schnell und flexibel geworden. Ein Beispiel dafür ist sicher auch das Start-Up VIAC. Hier war von Anfang an klar, dass wir dieses nicht an unser Bankeninformatiksystem anbinden, sondern eine eigene Plattform bauen wollen. Das hat sich ausbezahlt. Die Diversifikation wird weitergehen. Ich denke, wir könnten schon in fünf Jahren mit VIAC eine komplett digitale Bank für unsere Kundinnen und Kunden sein.

«Wenn ich auf dem Ansitz bin und Ausschau halte, bin ich in einer anderen Welt.»

Jetzt tritt der Stratege Germann Wiggli ans Tageslicht. Dein Wechsel in den Verwaltungsrat steht bevor. Ziele, Pläne, Ideen? Und: Weshalb braucht es dich dort?

Ich bringe Bankfach- und Finanzwissen mit, das ist wichtig. Die Finanzmarktaufsicht fordert ja unter anderem eine «vernünftige» Zusammensetzung. Mein Wissen soll nun in den Verwaltungsrat transferiert werden.

Vom Bank-CEO hat man das Bild des 24/7-Jobs im Kopf. Wie sieht deine Work-Life-Balance aus?

Ich bin sicher ein schlechtes Beispiel dafür. Natürlich geht 24/7 alleine aufgrund des Schlafbedürfnisses nicht, aber es ist richtig, dass ich ansonsten nur wenig Freizeit – sprich: Zeit für mich – genommen habe. Irgendwie bin ich immer für die WIR Bank unterwegs, das hat mich geprägt.

Keine Verbrauchsspuren oder gar Schäden?

Nein. Ich hoffe es nicht. Ich habe das Gefühl, dass ich gesund bin. Aber das Leben ist schon stark vom Kalender bestimmt.

Wenn du neu beginnen könntest: Würdest du es anders machen?

Den Kalender mit mehr Freiräumen besetzen, heisst eindeutig Lebensqualität. Ja. Die ist bei mir sicher zu kurz gekommen, aber ich bin selbst schuld.

Weshalb hast du es nie geändert?

Ich war immer interessiert an Neuem. Nebst dem Engagement bei der WIR Bank habe ich noch weitere Verwaltungsratsmandate und -präsidien. Die fordern ebenfalls. Aber es ist nicht einfach, alles unter einen Hut zu bringen, zumal ich beim Arbeitgeber, also der WIR Bank, immer 100 Prozent Leistung abliefern will. Dann muss zwangsläufig die Freizeit darunter leiden.

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Wann schaltest du ab?

Im Wald. In der Natur. Das Jagen ist meine grosse Passion. Dazu kommt ab und an auch das Bergsteigen.

Im Wald ist die WIR Bank auch präsent?

Nein. Dann schalte ich ab. Wenn ich auf dem Ansitz bin und nach Reh, Fuchs, Hase, Hirsch oder Wildsau Ausschau halte, bin ich in einer anderen Welt. Dann denke ich nicht direkt ans Geschäft.

Nicht direkt – indirekt also doch?

Es kann natürlich die Situation auftreten, dass mir plötzlich etwas Kreatives in den Sinn kommt. Das muss ich zu einem späteren Zeitpunkt weiterspinnen.

Das Geschäfts-Smartphone ist auf dem Ansitz ausgeschaltet?

Ja oder zumindest auf lautlos eingestellt. Alles andere wäre nicht gut.

Auch nicht auf lautlos im Blickfeld?

Nein, lautlos in der Tasche reicht, denn um einen starken Hirsch zu bergen, braucht es je nach dem noch Hilfe. Aber im Blickfeld würde es ablenken. Ich konzentriere mich in jenen Momenten voll auf die Natur.

Und wenn du nun, ganz bei dir, vor dem geistigen Auge die Schlagzeile Ende 2020 über die WIR Bank siehst, dann heisst diese …

… WIR ist zusammen mit VIAC einer der innovativsten und besten Bankpartner in der Schweiz!

(Fotos: Raffi Falchi)

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