Der Unternehmergeist und die Velosegnung
Der Unternehmergeist ist eine Kolumne von Karl Zimmermann, die auf vergnügliche und dennoch nicht minder klare Art und Weise aufzeigt, wie er, der Unternehmergeist, «funktioniert» – und weshalb ihm in seinem Handeln scheinbar keine Grenzen gesetzt sind.
Die Velosegnung
In einem kleinen Schweizer Dorf, es könnte Radelfingen sein, fand kürzlich eine ungewöhnliche Veranstaltung statt: die Velosegnung. Die örtliche Kirche hatte beschlossen, die heilige Macht des Fahrrads zu würdigen und die Drahtesel der Gemeindemitglieder zu segnen. Die Glocken läuteten, die Messdiener schwenken Weihrauch, der Pfarrer rief den Schutzheiligen der Reisenden an, den heiligen Christophorus, er möge die Anwesenden im Strassenverkehr behüten. Die Radfahrer hielten ihre Räder in die Luft, als wären sie gerade bei der Tour de Suisse akkreditiert worden.
Statistisch betrachtet
Die Schattenseite des anhaltenden Velobooms ist die steigende Zahl der Velounfälle.
19 Velo- und 23 E-Bike-Fahrer verloren 2022 auf Schweizer Strassen ihr Leben, weitere rund 1300 Personen verletzten sich schwer. Bei den E-Bike-Fahrern zeigt die Kurve der Unfallzahlen mit dem anhaltenden E-Bike-Boom sowieso exponentiell nach oben.
Diese Unfälle machen mir Sorgen, schliesslich sind sehr viele mit dem Velo unterwegs, und dies bei jedem Wetter. Bei den zunehmenden Unfallzahlen steigt rein statistisch betrachtet auch die Wahrscheinlichkeit, dass es jeden früher oder später erwischt. Um unfallfrei zu bleiben, kommt es also bisweilen vor, dass jemand Hilfe holt – von oben.
Himmlisch beschützt
Nur, was kann ich persönlich gegen Unfälle tun? Ab jetzt immer schön brav den Helm anziehen? Klappt semi-gut. Langsamer fahren? Klappt sicher nicht. Zu Fuss anstatt mit dem Velo unterwegs sein? Unvorstellbar.
Da ich den Fehler also nicht bei mir finden will, suche ich mir Hilfe bei einem Aussenstehenden. Und zwar nicht bei irgendjemandem, sondern bei Gott. Land auf und Land ab wird im Frühling zu Velosegnungen für Gross und Klein mit ihren Velos, E-Bikes, Laufrädern und anderen Zweirädern eingeladen. Dort können Sie mit Ihrem Velo den persönlichen Segen empfangen. Dass es so etwas überhaupt gibt, war mir bis vor Kurzem nicht bekannt. Ich weiss, dass Häuser mit den weissen Kritzeleien oberhalb des Hauseingangs gesegnet werden. Und bei Schiffen wird vor der Jungfernfahrt eine Flasche Schaumwein am Rumpf zerschlagen, um dem Schiff sichere Fahrten zu bescheren. Aber eine Velosegnung?
Geben Sie «Velosegnung» in die übliche Suchmaschine ein und Sie erhalten 1610 Berichte in 0,27 Sekunden, von aktuellen Segnungen in der Schweiz bis zum Hinweis, dass ebensolche seit 1978 durchgeführt werden.
Wenn es nicht schadet …
Das klingt nach einem himmlischen Airbag für den Drahtesel, nicht wahr? In einer Welt, in der wir für alles eine Versicherung haben – von der Haftpflicht bis zum Reiserücktritt –, da scheint es fast, als hätten wir für das Velo eine spirituelle Lücke übersehen. Oder ist es eher ein Marketinggag der Kirchen, welche beschlossen haben, die heilige Macht des Fahrrads zu würdigen und die Drahtesel der Gümmeler zu segnen, um endlich wieder vermehrt Menschen in die Kirche zu locken?
Na, wenn schon!
Hier einige weitere Gründe, warum eine Velosegnung sinnvoll sein kann:
Symbolischer Akt: Durch die Segnung wird symbolisch Gottes Schutz und Segen für die Radfahrer und ihre Fahrräder erbeten.
Gemeinschaft und Begegnung: Bei der Velosegnung kommen Menschen zusammen, die ihre Liebe zum Radfahren teilen. Es entstehen Gespräche und Begegnungen, und die Gemeinschaft wird gestärkt.
Spirituelle Dimension: Die Segnung verbindet den praktischen Aspekt des Radfahrens mit spirituellen Überlegungen. Sie erinnert daran, dass wir auf unseren Wegen nicht allein sind und dass es mehr gibt als nur das Materielle.
Ob die Velosegnung nun tatsächlich den göttlichen Beistand auf zwei Rädern garantiert oder einfach nur ein charmantes Ritual ist, das die Gemeinschaft stärkt – wer kann das schon sagen? Eines ist sicher: Es schadet sicher nicht, und wenn es auch nur ein Lächeln auf jemandes Lippen zaubert, dann hat es schon seinen Zweck erfüllt.
Amen, gute Fahrt und bis bald,
Der Unternehmergeist
Der Unternehmergeist im Fokus
Der Unternehmergeist ist eine Kolumne von Karl Zimmermann, die auf vergnügliche und dennoch nicht minder klare Art und Weise aufzeigt, wie er, der Unternehmergeist, «funktioniert» – und weshalb ihm in seinem Handeln scheinbar keine Grenzen gesetzt sind. Karl Zimmermann, der Autor dieser Kolumne, startete seine berufliche Karriere 1974 mit einer Lehre als Metallbauschlosser. Nach zahlreichen Weiterbildungen war er ab 1983 Partner der Karl Zimmermann Metallbau AG, die er 2012 verkaufte. 2006 gründete er zusammen mit Hans und Andreas Weber die KMU-Nachfolgezentrum AG und ist dort seither als Verwaltungsrat und Nachfolgecoach aktiv. Ihr Kerngeschäft ist die Nachfolgeregelung von kleinen und mittleren Unternehmen. Nebst der direkten Beratung engagiert sich das KMU-Nachfolgezentrum in der Öffentlichkeit und will so die Gesellschaft für das Thema Nachfolge sensibilisieren. Zu zahlreichen Mandaten und Mitgliedschaften gesellten sich 1998 der «Bayerische Staatspreis für besondere technische Leistungen im Handwerk» und 2005 der «Deutsche Bundespreis für hervorragende innovatorische Leistungen für das Handwerk» sowie 2006 der Gewerbebär der KMU-Stadt Bern.
www.kmu-nachfolgezentrum.ch
oder wirmarket.ch > Nachfolgezentrum
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