«Berufsbild Buchhalter und Treuhänder wird sich komplett ändern»
Die Kooperation mit dem Start-Up Accounto ist das nächste Kapitel in der Digitalisierungsoffensive der WIR Bank. Wie die Buchhaltungslösung KMU viel Arbeit abnimmt und wie sich die Treuhandbranche verändern wird, erfahren Sie im Interview mit Alessandro Micera.
Anfang des Monats hat die WIR Bank ein nächstes Kapitel in ihrer Digitalisierungsoffensive geschrieben: Das Resultat der Kooperation mit dem Start-up Accounto ist eine Buchhaltungslösung, die KMU das Geschäften erleichtert. Die Software hilft KMU-Kunden, ihre Buchhaltung zu digitalisieren, WIR-Kunden erhalten zusätzliche Rabatte. Accounto-CEO Alessandro Micera erklärt im Interview, wie es zur Zusammenarbeit kam – und wohin sich die Treuhandbranche künftig entwickeln wird.
WIRblog: WIR und Accounto in Partnerschaft: Wie lässt sich das in einem Satz charakterisieren zusammengefasst?
Alessandro Micera: Eine starke Partnerschaft für zukunftsorientierte KMU. Einfach, preiswert, effizient und zeitgemäss arbeiten. Oder als direkte Ansprache an die Unternehmer: Digital ihre Administration und Finanzen ortsunabhängig bearbeiten und jederzeit über aktuelle Zahlen verfügen.
Wie ist es zu dieser Zusammenarbeit gekommen?
Unser Gründer Alain Veuve stand mit der WIR Bank bereits einiger Zeit in Verbindung, die Bank hat im Sommer 2017 eine Partnerschaft im Bereich Buchhaltung gesucht. Unter den verschiedenen Optionen wurden wir ausgewählt.
Nimmt den KMU enorm viel Arbeit ab
Digitaler Treuhänder: Was heisst das?
Das heisst in erster Linie, dass der Austausch von Dokumenten digital und die Verarbeitung der Buchhaltungsdokumente softwaregestützt erfolgt. Für den Kunden bedeutet es, dass keinerlei manuelle und repetitive Arbeiten mehr anfallen. Zudem stehen wir mit unserem schlagkräftigen Support-Team jederzeit für unsere Kunden zur Verfügung. Wir vereinen sozusagen modernste Software mit modernem, jungem Treuhand-Unternehmen zu einem durchgängigen, innovativen Service, der den Kunden in der Regel 50 Prozent Kostenersparnis bringt.
Auf Ihrer Homepage bezeichnen Sie die Treuhandbranche als «träge und stark fragmentiert», zudem würde den Kunden für einfache Dienstleistungen viel zu viel verrechnet. Weshalb stellen Sie sich derart forsch in den Wind?
Naja, das ist sicher ein wenig überzeichnet – wie man das heute als Start-up halt so macht. (lacht) Auf der anderen Seite hören wir von Kunden, die zu uns wechseln, dass die Dienstleistungsdichte der traditionellen Anbieter vielfach zu wünschen übrig lässt. Treuhand war lange Zeit ein fast schon unberührter Bereich; die Kunden zahlen brav die Rechnungen und Treuhänder rechnen nach Stunden ab. In einer solchen Konstellation suchen Anbieter nicht nach Innovationen, die den Aufwand reduzieren. Unser Fixpreismodell ist da anders aufgestellt.
Heisst konkret?
Wir haben ein sehr grosses Interesse daran effizienter zu werden.
Weil …
… das für uns konkret mehr Marge bedeutet.
Welches sind die weiteren Differenzierungsmerkmale zur «traditionellen» Treuhandbranche?
Wir versuchen, im Support richtig schnell und gut zu sein. Lang auf Rückrufe zu warten, was anscheinend ein Klassiker im Umgang mit Treuhändern ist, gibt es bei uns nicht. Um das aber klar zu stellen: Wir arbeiten überhaupt nicht gegen bestehende Treuhänder. Im Gegenteil: Wir erhalten jede Woche mehrere Anrufe von Treuhändern, die uns fragen, wie sie mit uns zusammenarbeiten können. Für einzelne übernehmen wir bereits auch Verarbeitungsaufgaben. Unter dem Strich denken wir, dass sich der Treuhandmarkt in den nächsten Jahren fundamental wandeln wird. Und dabei sind wir mittendrin.
Sie reden von signifikanten Optimierungsmöglichkeiten für jedes KMU: Nennen Sie doch Beispiele.
Betrachtet man den gesamten Strang an Buchhaltungsprozessen, dann ist die Abstimmung, Archivierung, Sortierung von Buchhaltungsdokumenten und Transaktionen der grösste Teil des Aufwands. Interessanterweise gibt es keine Softwarelösung, die einem das abnimmt. Mit Accounto haben wir einen Service geschaffen, der genau dort ansetzt. Er nimmt den KMU enorm viel Arbeit ab.
Ihre Lösung zielt darauf ab, dass KMU-Kunden ihre gesamte Buchhaltung an einen digitalen Service auslagern. Hinter einer Buchhaltung stecken sensible Daten – gehen wir also recht in der Annahme, dass Ihrer Idee immer wieder mal mit Skepsis begegnet wird? Und falls ja: Welches sind die grössten Bedenken?
Als wir gestartet sind, stellten wir uns darauf ein, dass wir diesbezüglich viel Aufklärungs- und Überzeugungsarbeit werden leisten müssen. Zum Glück ist das aber überhaupt nicht so. Datensicherheit ist paradoxerweise überhaupt kein Thema, das von Kunden intensiv nachgefragt wird. Wir sind aber auch entsprechend gerüstet und haben bei Accounto das Thema Sicherheit als einer der Top-Prioritäten gebaut.
Es gibt keine Überraschungen, was die Kosten anbelangt.
Ich bin KMU-Inhaber, Accounto tönt spannend: Was passiert konkret mit meiner Buchhaltung?
Kunden, die Interesse an Accounto haben, erhalten von uns ein individuelles Angebot. Gerne sprechen wir mit Interessenten vorab im Detail und zeigen die wenigen Arbeitsschritte – wie Rechnungen visieren und bezahlen –, die Kunden noch selber auf der Plattform machen müssen mittels einer Demo. Ist der Kunde mit der Offerte einverstanden, gibt es verschiedene Setup-Arbeiten, die der Kunde selber machen kann oder wir optional für ihn erledigen. Zu Beginn des folgenden Monats kann der Kunde dann bereits die Buchhaltung über Accounto abwickeln. Bezahlt wird zum monatlichen Fixpreis.
Accounto wurde als Machine-Learning-Start-up gegründet: Gewähren Sie doch einen Blick hinter die Kulissen, wohin diese Reise im Bereich der digitalen Buchhaltung, des digitalen Treuhänders noch gehen wird.
Es ist korrekt, dass Accounto aus einem Machine-Learning Software-Unternehmen hervorging, das nun unter dem Namen Parashift AG Lösungen für Grosskunden und die Finanzindustrie anbietet. Spannenderweise sehen wir im Bereich der Buchhaltung zwar immer mehr Automatisierung, an der vollständigen autonomen Verarbeitung von Buchhaltungsdokumenten arbeiten aber fast nur Start-ups. Parashift ist dabei eine von vielleicht fünf Firmen weltweit.
Woran liegt das?
Daran, dass dies eine unglaublich aufwändige und komplexe Aufgabe ist. Und dass Anbieter von Buchhaltungslösungen meist gar keine ökonomische Motivation haben, in diesen Bereich zu investieren, da sie damit auf lange Frist die Anzahl Nutzer der Software drastisch verringern.
Der klassische Buchhalter wird also nicht schon bald obsolet?
Diese Aussage, die heute oft in den Medien zu finden ist, entspricht so lange nicht den Fakten, bis eine universelle Engine, wie sie Parashift erarbeitet, den Markt durchdringt. Das wird seine Zeit dauern. Das Berufsbild des Buchhalters und Treuhänders wird sich aber logischerweise komplett ändern. Immer wichtiger wird, wie in anderen Bereich auch, der effiziente und sinnvolle Einsatz von Technologie.
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