Artgrade your business! Neuerfindung als Strategie
Der impressionistische Maler Claude Monet war ein Meister des Durchhaltevermögens und der ständigen Innovation.
Claude Monets Seerosenbilder sind weltberühmt und zieren die bekanntesten Museen der Welt, doch nur wenige wissen, dass der 1840 in Paris geborene Maler diese Meisterwerke erst im fortgeschrittenen Alter schuf – zu einem Zeitpunkt, an dem viele bereits den Ruhestand geniessen. Bevor Monet zu einem der einflussreichsten Künstler der Kunstgeschichte aufstieg, sah er seine Werke mit Ablehnung und Spott konfrontiert und lebte jahrzehntelang in finanzieller Not. Seine Karriere ist nicht nur ein Zeugnis künstlerischen Könnens, sondern auch ein Lehrstück über Durchhaltevermögen und den unermüdlichen Willen zur Weiterentwicklung – Eigenschaften, die auch für erfolgreiche Unternehmerinnen und Unternehmer von entscheidender Bedeutung sind.
Von den ersten Skizzen zur künstlerischen Anerkennung
Bereits während seiner Schulzeit in Le Havre stellte Monet Karikaturen bei einem Händler für Künstlerbedarf aus und verdiente sich mit deren Verkauf die ersten 2000 Francs. Mit 18 Jahren bewirbt er sich um ein Stipendium der Stadt Le Havre für ein Kunststudium in Paris – und wird abgelehnt. Zwei Jahre später schreibt er sich an der kostengünstigen Akademie de Suisse in Paris ein und begann, realistische Bilder zu malen, von denen einige auch im renommierten Salon akzeptiert wurden. Der Salon in Paris war die offizielle staatliche Ausstellung in Frankreich und galt Künstlern, Kritikern und dem Publikum als wichtigste Präsentation von Kunstwerken in Paris. Von Anfang an malte Monet im Freien und nicht wie an der Akademie gelehrt im Atelier. Er fertigte Seestücke und Winterlandschaften sowie Gruppenporträts, zu denen das «Mittagessen» aus dem Jahr 1868 zählt. Der Künstler bildete darauf seine Frau Camille Doncieux, seinen Sohn Jean sowie eine Bedienstete und eine Besucherin des Hauses ab.

Den bürgerlichen Alltag gross in Szene gesetzt: Claude Monet, Das Mittagessen,1868–69, Öl auf Leinwand, 231,5×151,5 cm, Städel Museum, Frankfurt am Main.
Ein abgelehntes Meisterwerk führt auf neue Wege
Die monumental aufgefasste Alltagsszene ist noch vom Realismus der Akademiemalerei geprägt, mit dem riesigen Format jedoch betrat Monet Neuland, indem er die Alltagsszene in die Grösse eines Historiengemäldes (Szenen aus der Bibel oder der Antike) erhob und damit das bürgerliche Leben aufwertete. Doch der Pariser Salon lehnte das Gemälde im Jahr 1870 für die Ausstellung ab. In der Folge konzentrierte sich Monet beim Malen zunehmend auf die Oberfläche und äussere Erscheinung seiner Umgebung und schuf im Jahr 1872 das Gemälde «Impression, soleil levant» (Eindruck bei Sonnenaufgang), das später dem Impressionismus seinen Namen gab.
Die Geburtsstunde des Impressionismus
«Impression, soleil levant» zeigt den Hafen von Le Havre bei Sonnenaufgang. Das orangene Licht des Sonnenballs spiegelt sich auf der Wasseroberfläche. Die atmosphärische Wirkung des den Morgennebel durchbrechenden Lichts wird zum Hauptereignis des Bildes, auf Detailtreue bei der Darstellung der kleinen Fischerboote sowie der im Hintergrund liegenden grossen Schiffe und Hafenkräne verzichtete Monet, vielmehr betonen die schnell aufgetragenen Pinselstriche die Flüchtigkeit des Augenblicks. Das Gemälde präsentierte Claude Monet im Jahr 1874 in der ersten Ausstellung der neugegründeten Künstlervereinigung «Société anonyme des artistes, peintres, sculpteurs, graveurs», die als erste Ausstellung der Impressionisten in die Geschichte einging. Neben Monet stellten Künstlerinnen und Künstler wie Paul Cézanne, Berthe Morisot, Camille Pissarro, Auguste Renoir und Alfred Sisley aus. Damit versuchte die jüngere Pariser Künstlergeneration sich von den dominierenden Instanzen des Salons und der Akademie unabhängig zu machen. Im Zuge der Ausstellung hatten Kritiker Monet und seine Kolleginnen und Kollegen als «Impressionisten» verspottet.
Von der Not zum Wohlstand
Es dauert noch Jahre, bis Claude Monet finanziell abgesichert ist und seine Kunst ihm internationale Anerkennung und Reichtum beschert. Um 1880 lebte der Künstler am Existenzminimum. Er konnte die Miete für sein Haus in Argenteuil nicht mehr aufbringen und zog ins abgelegene Vétheuil. Nach langer Krankheit starb seine erste Frau und Mutter seiner beiden Söhne. Doch fand Monet 1883 in Giverny, 60 Kilometer nördlich von Paris, einen neuen Lebensmittelpunkt. Im Jahr 1890 war es ihm möglich, das Anwesen, das zum Schauplatz seines künstlerischen Schaffens geworden war, zu kaufen. Hier legte Monet seinen berühmten Garten mit dem ikonischen Seerosenteich an, für dessen Ausbau er sich zeitweise hoch verschuldete. Monet beschäftigte sechs Gärtner, von denen einer täglich die exotischen Seerosen auf der Wasseroberfläche in festgelegten Abständen anordnen musste.

Dieses Gemälde gab der Stilrichtung des Impressionismus ihren Namen: Claude Monet, Impression, Sonnenaufgang, 1872, Öl auf Leinwand, 48×63 cm, Musée Marmottan Monet, Paris
Die Erfindung der Serie
In den ersten Jahren in Giverny entwickelte Monet das Konzept der Serie, das prägend für die moderne und zeitgenössische Kunst werden sollte. Inspiriert durch japanische Farbholzschnitte wie der berühmten Folge «36 Ansichten des Berges Fuji» von Katsushika Hokusai (1760–1849), von der Monet neun Blätter besass, begann er Motive seiner unmittelbaren Umgebung in Variationen zu malen: Mehr als 30 Getreideschober im sich ständig verändernden Licht, Pappeln zu unterschiedlichen Jahres- und Tageszeiten sowie die Fassade der Kathedrale von Rouen, eine Bildserie von 33 Gemälden.
Der Weg zum Markenzeichen
Ende der 1890er-Jahre widmet sich Monet den Seerosen als Sujet. Der Künstler war da schon 60 Jahre alt. Bis dahin hatte er bereits ein umfangreiches Œuvre kreiert und dabei seinen Stil, Motive und Formate vielfach gewechselt. Das mit sechs Metern Länge monumentale Gemälde «Der Seerosenteich mit Iris» zeigt keine Horizontlinie. Das Ufer mit den Lilien ist nur zu erahnen. Vielmehr geht es um Spiegelungen von Himmel, Wolken, Bäumen, Uferpflanzen und Lichtreflexen auf der Wasseroberfläche. Monet plante in den 1910er-Jahren ein monumentales dekoratives Bild-Ensemble, wofür er sich 1915 ein neues, geräumiges Atelier errichten liess, um die gigantischen Leinwände bearbeiten zu können. Schliesslich schenkte Monet eine grosse Folge der «Nymphéas» dem französischen Staat. Sie ist heute in Paris in zwei ovalen Sälen in der Orangerie der Tuilerien ausgestellt. In diesem Zusammenhang entstand auch «Der Seerosenteich mit Iris» aus dem Kunsthaus Zürich. Die Seerosen hatte Monet einst «… aus reinstem Vergnügen gepflanzt; ich zog sie heran, ohne daran zu denken, sie zu malen. Eine Landschaft geht einem nicht an einem Tag unter die Haut. Und dann hatte ich ganz plötzlich die Offenbarung, wie wunderbar mein Teich war, und griff nach der Palette. Seit jenem Augenblick habe ich kaum ein anderes Sujet gehabt.»

Erst in seinem Spätwerk entwickelte Monet die Seerosenbilder: Claude Monet, Der Seerosenteich mit Iris, 1914/1922, Öl auf Leinwand, 200×600 cm, Kunsthaus Zürich
Unternehmen im Wandel
Wie bei Claude Monet haben auch viele erfolgreiche Unternehmen ihren Ursprung in ganz anderen Bereichen als den Produkten, für die sie heute bekannt sind. Denn die kontinuierliche Anpassung des eigenen Angebots ist entscheidend, wenn Kunstschaffende und Unternehmende vorn bleiben wollen. BMW begann beispielsweise mit dem Bau von Flugzeugmotoren, während Colgate-Palmolive 1806 mit der Herstellung von Kerzen und Seife startete – die berühmte Zahnpasta folgte erst 1908. Der japanische Autohersteller Honda begann mit Fahrradmotoren, Ikea-Gründer Ingvar Kamprad verkaufte zunächst Kugelschreiber, Brieftaschen, Bilderrahmen, Uhren, Streichhölzer, Schmuck und Nylonstrümpfe, bevor er sich auf den kostengünstigen Direktvertrieb von Schreibgeräten von der Fabrik zum Kunden spezialisierte. Fünf Jahre später erweiterte der Schwede sein Sortiment um Möbel, 1951 erschien der erste Ikea-Katalog. Ein weiteres Beispiel ist Wrigley (2008 von Mars übernommen), der 1891 gegründete Kaugummihersteller, welcher ursprünglich Seife und Backpulver produzierte. Um den Verkauf seiner Seife anzukurbeln, legte das Unternehmen ein Päckchen Backpulver bei – bald darauf stellte es dieses selbst her und fügte Kaugummi hinzu, was bei den Kunden so gut ankam, dass das Unternehmen fortan vor allem Kaugummis produzierte.
Diese Beispiele zeigen: Ständige Innovation unter Beibehaltung der eigenen Kernwerte ist entscheidend für den Erfolg – Unternehmen müssen proaktiv Neues entwickeln und nicht erst in Krisenzeiten reagieren. So bleiben sie wettbewerbsfähig, wenn sich Kundenbedürfnisse ändern und können neue Einnahmequellen eröffnen.
Konstruktive Unzufriedenheit
Die Pionierin des modernen Franchise-Systems Martha Mathilda Harper (mehr zu ihrem Leben finden Sie in meinem Buch «Die geheimen Pionierinnen der Wirtschaft»), die bereits am Beginn des 20. Jahrhunderts mehr als 500 Haarsalons auf der ganzen Welt im Franchise-System betrieb, prägte den Gedanken «… Mit den Dingen zufrieden zu sein, wie sie sind, ist ein sicheres Zeichen des Niedergangs. … Konstruktive Unzufriedenheit ist für mich eine höhere Fähigkeit des Geistes.»
Lassen Sie sich von Harpers unermüdlichem Streben nach Verbesserungen und Monets künstlerischer Erfindungsgabe inspirieren und entwickeln Sie regelmässig selbst Innovationen. Wie viele neue Produkte oder Dienstleistungen testen Sie gerade? Welches Produkt hat das Potenzial zum Welterfolg?
Artgrade your business!
Jana Lucas

«Artgrade your business!» heisst die Kolumne von Jana Lucas. Darin zeigt die promovierte Kunsthistorikerin, wie bildende Kunst als Ressource speziell für die Wirtschaft dienen kann. Denn wer unternehmerisch gestaltet, profitiert von künstlerischen Arbeitsweisen, so die These von Jana Lucas. Innovationen kann nur entwickeln, wer neu denkt und eigene Positionen einnimmt. Künstlerinnen und Künstler bieten dafür Vorbilder. Die Kolumne nutzt Kunst daher als Trainingsgelände für unternehmerisches Handeln und bietet viele praktische Beispiele, um grundlegende Entscheidungen aus einer neuen Perspektive zu reflektieren, die eigenen Vorstellungen herauszufordern, den Fokus zu schärfen und konkrete Schritte für die gezielte Umsetzung abzuleiten. In ihrem kunstbasierten Consulting mit Schwerpunkt Innovations- und Strategieentwicklung verbindet Jana Lucas unter dem Motto «Von der Kunst lernen» ihre jahrelange Erfahrung im Marketing mit Fragestellungen zu künstlerischen Gestaltungsprinzipien. Dabei spannt sie den Bogen zwischen Kreativität, Innovation sowie Wahrnehmung in der Kunst zu deren Bedeutung für Unternehmen. Darüber hinaus arbeitet Jana Lucas Unternehmens- sowie Privatsammlungen kunsthistorisch auf und erschliesst so deren Mehrwert für Unternehmen. Als Autorin veröffentlichte sie 2021 das erfolgreiche Sachbuch «Die geheimen Pionierinnen der Wirtschaft – Aussergewöhnliche Frauen, die unsere Wirtschaftswelt nachhaltig geprägt haben». 2023 erschien ihr neuestes Buch: «Kleine Basler Kunstgeschichte»
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